Die 33-jährige Anastasia ist eine der von mir im Wochenbett betreuten Mütter, die ihren ersten Sohnim Wasser gebar. Das ist mir lebhaft in Erinnerung geblieben, weil Wassergeburten nicht sehr häufig vorkommen. Der bundesweite Durchschnitt liegt bei rund 2%, wobei einzelne Krankenhäuser auch höhere Raten ausweisen können. Die Rate für Wassergeburten liegt bei hier führenden Kliniken bei bis zu 26%. Bei außerklinischen ambulanten Geburten im Geburtshaus oder bei Hausgeburten finden knapp 30% der Geburten im Wasser statt, wie im Qualitätsbericht von QUAG e. V. zu lesen ist. 

Vielleicht wünschst auch du dir, dein Baby in der Gebärwanne zur Welt zu bringen. Dann ist es wichtig, dass du dich erkundigst, wo du dein Baby zur Welt bringen musst, um die Möglichkeit einer Wassergeburt zu haben.

Viele Frauen wünschen sich in der Schwangerschaft eine Wassergeburt. Viele Frauen gebären dann aber doch anders. Das hat unterschiedliche Ursachen. Manche Frauen fühlen sich während der Wehenarbeit im Wasser nicht gut – dann ist es gut, wenn die Gebärende offen für eine andere Geburtsform ist. Manchmal sprechen andere Gründe dagegen. Dazu gehören auch medizinische Gründe. Darauf komme ich weiter unten zu sprechen.

Anastasia jedenfalls hatte sich während der Schwangerschaft über die Möglichkeit einer Wassergeburt zunächst kaum Gedanken gemacht. Im Kreißsaal der Entbindungsklinik schlug ihr dann die Hebamme zu einem fortgeschrittenen Zeitpunkt der Eröffnungsphase vor, vorübergehend ins warme Wasser der Geburtswanne zu steigen. Das sollte die Wehentätigkeit anregen und Anastasia gleichzeitig etwas Entspannung verschaffen. „Im Wasser kam ich mit den Wehen viel besser zurecht und fühlte ich mich dann auch so wohl, dass unser kleiner Laurenz letztlich auch im Wasser zur Welt kam“, sagt sie. Als ich die frisch gebackene Mutter dann im Wochenbett zu Hause besuchte, strahlte mich Anastasia an und berichtete begeistert von diesem ungeplanten und dabei so angenehmen Geburtsverlauf. 

Auch wenn euch die unten genannte Liste der möglichen Risiken einer Wassergeburt sehr lang erscheint, möchte ich bereits an dieser Stelle erwähnen: Verläuft deine Schwangerschaft ohne nennenswerte Probleme und sind auch für die Geburt keine Komplikationen zu erwarten, so kannst du dich grundsätzlich problemlos auch für eine Wassergeburt entscheiden. Und auch eine große britische Meta-Studie von Hebammenwissenschaftlerinnen kam zu dem Ergebnis, dass bei einer Wassergeburt kein höheres gesundheitliches Risiko für Mutter und Kind besteht als „an Land“. Die Geburt in der Wanne bietet sogar einige Vorteile für Mutter und Kind. 

Wohlfühlen im Wasser

Bei einer Wassergeburt entbindet die Mutter in einer Gebärwanne oder einem Gebärbecken. Das ist in immer mehr Geburtskliniken möglich und bedeutet, dass die dort beschäftigten Hebammen und Ärztinnen/Ärzte entsprechend dafür fortgebildet sind.

Die Gebärwanne ist deutlich größer als jene Modelle, die wir von zu Hause kennen. Sie bietet der Gebärenden vor allem mehr Platz, damit sie sich bewegen kann. So kann sie in der gefüllten Wanne unterschiedliche Positionen einnehmen wie etwa den Vierfüßlerstand. Dabei machen es vorhandene Griffe bzw. Haltemöglichkeiten sowie Fußstützen der Mutter leichter. 

Auch in den meisten Geburtshäusern hast du die Möglichkeit, dein Kind im Wasser zu bekommen. Bei einer Hausgeburt kannst du dein Baby in der normalen Badewanne gebären, aber dafür auch ein mobiles, aufblasbares Geburtsbecken ausleihen.

Das Wasser ist angenehm zwischen 32 und 37 Grad temperiert und reicht dir in liegender Position etwa bis zur Brust. Im lauwarmen Wasser können sich viele Gebärende auch besser entspannen – sowohl muskulär als auch mental. Dadurch werden die Wehen als weniger schmerzhaft wahrgenommen. Das bestätigt auch die Forschung: Bei Wassergeburten kommen z.B. deutlich weniger Schmerzmittel zum Einsatz. Zudem verkürzt diese Geburtsart häufig den Geburtsprozess, weil das warme Wasser die Wehen fördert bzw. intensivier. Es hat sich außerdem gezeigt, dass es im Wasser auch zu weniger Geburtsverletzungen wie beispielsweise einem Dammriss kommt.  

Die Gebärende entscheidet selbst, zu welchem Zeitpunkt sie ins Wasser steigen möchte. So kann es sein, dass einige Frauen erst mit vollständig geöffnetem Muttermund in die Wanne gehen, um dort die Presswehen besser verarbeiten zu können. Andere empfinden bereits ab Beginn der Eröffnungsphase die nasse Umgebung als wohltuend. Manche Gebärende wiederum hält sich auch nur vorübergehend im Wasser auf und entbindet dann letztlich doch „an Land“. 

Solltest du während des Geburtsvorgangs im Wasser bemerken, dass du dich damit – aus welchen Gründen auch immer – nicht wohl fühlst, kannst du jederzeit die Wanne bzw. das Becken wieder verlassen. Denn die Gebärende bestimmt selbst, wie lange sie darin bleiben möchte. Anders sieht es nur aus, wenn ein unerwarteter Umstand eintritt, der es erforderlich macht, das Wasser unverzüglich zu verlassen. Übrigens: Die persönliche Geburtsbegleitung, also meistens der Partner der Frau, darf meistens nicht mit ins Wasser steigen.  

Idealerweise wird die Frau, während sie in der Gebärbadewanne ist, von zwei Hebammen, bzw. von Hebamme und Arzt/Ärztin ununterbrochen betreut. Falls nötig, können diese rasch eingreifen und sie aus dem Wasser heben. Auch im Wasser können übrigens Mamas Wehen und Babys Herztöne kontrolliert werden, denn es gibt auch wasserfeste CTG-Geräte. Auch das Dopton der Hebammen, um die Herztöne zu kontrollieren ist für den Gebrauch im Wasser gemacht.  

Für die Nachgeburt mit entsprechender Blutung steigen viele Mütter lieber wieder aus der Wanne. „An Land“ können Ärztin/Arzt bzw. Hebamme auch den Blutverlust bei der letzten Geburtsphase besser kontrollieren. Du kannst die Geburt der Plazenta jedoch auch im Wasser abwarten, wenn du das möchtest. 

Das Baby taucht in die Welt ein

Viele Schwangere, die eine Wassergeburt erwägen, fragen sich: Bekommt mein Baby nicht Atemprobleme, wenn es im Wasser statt an der Luft zu Welt kommt? Da kann ich dich beruhigend – für das Kind ist die Wassergeburt sogar ein sanfterer Eintritt in diese Welt als „an Land“. In der Geburtshilfe wird vielfach die Erfahrung gemacht, dass eine Unterwassergeburt für Babys deutlich weniger stressig ist. Schließlich waren sie viele Monate im körperwarmen Fruchtwasser in Mamas Bauch geborgen – und landen mit der Geburt nun im vergleichbar körperwarmen Wasser (ca. 37 Grad) der Geburtswanne. Dieses Element ist ihnen also angenehm und gut vertraut. 

Außerdem hat die Natur die Kleinen mit dem sogenannten Tauchreflex ausgestattet: Das Neugeborene hält im Wasser automatisch die Luft an. Es wird noch über die Nabelschnur mit Sauerstoff versorgt und macht erst in dem Moment seinen ersten Atemzug, wenn es mit dem Köpfchen die Wasseroberfläche erreicht. Es beginnt also erst selbständig zu atmen, sobald es „Luft um die Nase hat“. Eine längere Zeit befindet sich das Neugeborene ohnehin nicht unter Wasser, da es gleich nach seinem Durchtritt herausgehoben und der Mutter zum Kennenlernen auf die Brust gelegt wird. Was für ein schöner Start für das Bonding!

Was spricht für eine Wassergeburt?

Die Frauen, die im Wasser gebären dürfen, sind zufriedener mit ihrer Geburt.

Denn die Wärme des Wassers und die Tatsache, dass man sich im Wasser leichter fühlt, macht, dass die Wehenschmerzen leichter zu verarbeiten sind. Der Schmerzmittelbedarf ist deutlich niedriger bei einer Wassergeburt.

Die Wassergeburt hat nicht nur eine emotionale Entspannung zur Folge, sondern auch eine Entspannung der Muskulatur und des Gewebes. Deshalb kommt es in der Gebärbadewanne seltener zu Verletzungen des Beckenbodens. Es ist nicht verwunderlich, dass Studien zeigen, dass Frauen weniger Dammschnitte haben, als wenn sie ihr Baby im Kreißbett zur Welt bringen.

Auch der Blutverlust der Mütter ist erwiesenermaßen deutlich geringer bei einer Wassergeburt. 

Das Baby wird sanfter geboren. Das liegt einerseits an dem aufgelockerten Gewebe, das dann weniger Druck auf den kindlichen Kopf ausübt, andererseits daran, dass auch das Kind davon profitiert, dass es sich im Wasser leichter anfühlt, als an Land.

Was spricht gegen eine Wassergeburt?

Aus Sicht der Entbindungskliniken spricht in Zeiten des Fachkräftemangels vor allem die Tatsache dagegen, dass bei einer Wassergeburt gleich zwei Geburtshelfer*innen durchgehend anwesend sein sollten. Wenn dann eine andere Schwangere zur gleichen Zeit mit Wehen in die Klinik kommt, kann es personell bereits so eng werden, sodass eine weitere Hebamme möglicherweise sogar aus der Rufbereitschaft dazugeholt werden muss. Das suchen Kliniken zu vermeiden. 

Manche Kliniken, in denen vermehrt Wassergeburten stattfinden, arbeiten deshalb mit dem sogenannten Beleghebammensystem. Dabei bringt die Gebärende ihre Beleghebamme zur Wassergeburt mit, was dann nicht zwei, sondern nur eine weitere Klinikhebamme zeitlich bindet. 

Übrigens: In großen Entbindungskliniken, in denen auch viele Risikogeburten betreut werden, werden nur äußerst selten Wassergeburten durchgeführt. Auch das hat überwiegend personelle Gründe, denn die vorhandenen fachlichen Kapazitäten müssen für die schwierigen Fälle bereitstehen. Zudem schließen bestimmte Risikofaktoren eine Geburt im Wasser ohnehin aus (dazu unten mehr).

Ein weiterer Grund spricht aus Sicht der Kliniken gegen eine Wassergeburt: Die vaginale Untersuchung der Gebärenden in der Geburtswanne ist für Ärzt*innen bzw. Hebammen umständlicher als „an Land“. Denn die Fachkräfte müssen sich für die Untersuchung wenig rückenfreundlich weit hinunter zur Frau in die Wanne beugen.  

Aus medizinischer Sicht kann eine Wassergeburt kritisch werden, wenn im Geburtsverlauf notfallmäßig ein schnelles ärztliches Eingreifen erforderlich wird, für das die Mutter erst aus der Wanne geholt und abgetrocknet werden muss. So kann wertvolle Zeit für die nötigen Vorbereitungen beispielsweise für einen Notkaiserschnitt verlorengehen. Ist die Nabelschnur sehr und wird daran ungünstig gezogen, so kann es passieren, dass sie (ein)reisst. Das ist jedoch kein medizinischer Notfall im klassischen Sinne, dein Baby wird daran keinen Schaden nehmen.

Außerdem wird in der Geburtshilfe das Infektionsrisiko für Mutter und Kind im Wasser diskutiert. Nach aktueller Studienlage liegt das Risiko in der Wanne jedoch nicht höher als im Kreißbett.

Bei bestimmten Risikolagen ist eine Geburt im Wasser jedoch nicht möglich. Das bedeutet: 

• Schwangerschaftskomplikationen wie z. B. Präeklampsie schließen eine Wassergeburt aus. Das gleiche gilt für Mehrlingsschwangerschaften.

• Liegt das Kind in Beckenendlage, wird häufig das Baby per ist Kaiserschnitt zur Welt geholt. Wird eine vaginale Geburt angestrebt, so wird auch diese nicht im Wasser durchgeführt. Gegen ein Entspannungsbad während der Geburt spricht allerdings nichts.

• Auch schwache/auffällige Herztöne des Babys sprechen gegen eine Wassergeburt.

• Falls die Mutter eine Periduralanästhesie(PDA) wünscht, muss sie die Gebärwanne oder das Becken verlassen bzw. kann gar nicht erst ins Wasser steigen. Denn im Wasser kann sie nicht mit einer PDA entbinden. Allerdings benötigen die meisten Frauen, die die schmerzlindernde Wirkung der Badewanne bei der Geburt nutzen möchten, gar keine weiteren Schmerzmittel.

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Katharina Jeschke

Katharina Jeschke

Gründerin von elternundbaby.com und Hebamme

Als Geburtshausleiterin, Hebamme und Mutter unterstütze ich Frauen dabei ihre Herausforderung während, vor und nach der Schwangerschaft besser zu bewältigen.

Um noch mehr Frauen zu erreichen, startete ich elternundbaby.com. Ich freue mich darauf, dich hier begrüßen zu dürfen.