Euer Baby hat gerade das Licht der Welt erblickt. Jetzt liegt es im Kreißsaal oder Geburtszimmer direkt nach der Geburt auf deiner Brust. Damit beginnt die so wichtige Bonding-Phase – der erste Grundstein für eine gute Entwicklung des Kindes. Erster Grundstein deshalb, weil Bonding wie gesagt eine Phase ist, die sich über mehrere Tage und Wochen fortsetzt und noch intensiviert. 

Der englische Begriff Bonding bedeutet übersetzt „Verbindung“. Haben zwei Menschen eine gute Verbindung miteinander, so ist das etwas sehr Wertvolles. Beide werden dadurch gestärkt und auch beflügelt. In unserem Fall geschieht das in diesem ersten Moment des Kennenlernens nach der Geburt durch den Haut-zu-Haut-Kontakt des Kindes zur Mutter und/oder zum Vater. 

Bereits während der Schwangerschaft haben die meisten Mütter und auch viele Väter einen innigen „Draht“ zu ihrem Kind. Sie haben zum Beispiel liebevoll über den Babybauch gestreichelt und mit dem Ungeborenen gesprochen. Der entscheidende emotionale Klebstoff für ihre besondere Verbindung zum Kind ist jedoch unmittelbar nach der Geburt das beginnende Bonding. Er verleiht dem mütterlichen und besonders dem väterlichen Band zum Kind noch einmal eine ganz neue Dimension. 

Vielleicht fragst du dich jetzt, worin eigentlich der Unterschied zwischen Bonding und Bindung besteht. Ganz vereinfacht gesagt: Durch Bonding entsteht emotionale Bindung – und zwar zunächst bei der Mutter bzw. den Eltern. Hiermit ist also aus der Perspektive der Erwachsenen der Prozess gemeint, an dessen Anfang sich die Mutter (und auch der Vater) zu ihrem Baby hingezogen fühlen und ihre Augen nicht mehr von ihm lassen können. Für das Kind hat das unschätzbare, geradezu überlebenswichtige Vorteile: Denn je inniger das Band der Eltern zu ihrem Baby ist, umso besser können sie seine Bedürfnisse wahrnehmen und beantworten. Das sind hervorragende Voraussetzungen dafür, dass sich auch das Kind an seine Bezugspersonen vertrauensvoll binden kann, bei ihnen Fürsorge, Sicherheit, Trost, Beruhigung und Wohlbefinden empfindet – und später selbst gelingende soziale Beziehungen führen kann. 

Wie geht Bonding?

Im Idealfall wird das Baby auf natürlichem Wege geboren – und der Mutter anschließend unverzüglich auf die Brust gelegt. Beide sollen sich gleich Haut-an-Haut fühlen können, ohne von Tüchern oder sonstigen Stoffen daran gehindert zu werden. Für diesen ersten Hautkontakt sollte auch das Baden und (ein)wickeln des Neugeborenen warten. Aber natürlich wird es gut zugedeckt, damit es nicht auskühlt, wenn es bei der Mama liegt. 

Durch den direkten Hautkontakt spürt das Neugeborene die mütterliche Wärme. Sie schenkt dem Kind Geborgenheit in dieser noch so fremden Welt, in der es plötzlich gelandet ist. Jetzt nimmt das Baby auch den ihm schon vertrauten Herzschlag der Mutter wahr. Zudem beginnt es, sich nun Mamas unverwechselbaren Geruch einzuprägen. Denn rund um ihre Brustwarzen geben bestimmte Drüsen jetzt ein Sekret ab, dessen Duft dem Neugeborenen als Wegweiser zur Milchquelle dient. Die meisten Babys folgen dieser „Duftspur“ in ihrer ersten Lebensstunde und beginnen von sich aus zu saugen. Manche Kinder benötigen auch ein wenig Unterstützung für dieses erste Stillen.  

Und wie geht es der Mutter? Ihr Körper schüttet nach der Geburt das sogenannte „Bindungshormon“ Oxytocin aus. Es unterstützt nicht nur die Rückbildung der Gebärmutter und regt die Milchbildung an, sondern stärkt vor allem das Gefühl der Zusammengehörigkeit: Die meisten Mütter werden von Glücksgefühlen geradezu überflutet, wenn das Baby direkt an ihrer Haut liegt. 

Dieser erste Haut-zu-Haut Kontakt nach der Geburt ist also die Bonding-Premiere. Sie stärkt die Frau für ihre neue Mutterrolle. In der Klinik haben Mutter und Kind für dieses erste Kennenlernen mindestens eine Stunde oder bis zum ersten Stillen Zeit. Routinehandlungen wie das Waschen oder Anziehen des Kindes sollten während Babys erster Lebensstunde wie gesagt nach Möglichkeit warten oder zumindest auf dem Oberkörper der Mutter vorgenommen werden (z. B. der Apgar Test).

Halten wir also fest: Das Bonding direkt nach der Geburt begründet deine Bindung zu deinem Kind – und in der Folge seiner Bindung zu dir. Diese Bindung wird sich noch weiter festigen. Übrigens: Auch dein Baby wird nach der Entbindung von Hormonen überschwemmt, darunter das „Kuschelhormon“ Oxytocin. Dein Oxytocinspiegel wiederum ist nie mehr so hoch wie in den ersten drei Tage nach der Geburt. Auch das Hormon hilft euch sehr, euch eng aneinander zu binden. Es hilft euch auch, eine entspannte 

 aufzubauen.

Was sagt die Forschung zum Bonding?

Die Wissenschaft wollte es genau wissen und hat in verschiedenen Studien untersucht, wie sich dieses erste Kennenlernen namens Bonding auf Mutter und Kind auswirkt. Dabei kamen die Forschenden immer wieder zu den gleichen Ergebnissen. Hier einige Ausschnitte:

Das Baby

• … beruhigt sich schneller. Und es fällt ihm leichter, sich zu entspannen. Entsprechend schreit es weniger. Das bedeutet, dass es auch weniger Energie verbraucht.

• … hält seine Körpertemperatur besser. Dennoch ist es natürlich immens wichtig, es auch von außen warm zu halten, damit es nicht auskühlt. 

• … hat einen stabileren Blutzuckerspiegel.

• … wird in seinen Reflexen angeregt, die es zum Stillen braucht.

• … wird in seinem Urvertrauen gefördert.

• … passt sich leichter an die Außenwelt an.

• … ist später oft selbstbewusster, interessierter und weniger ängstlich. 

Die Mutter 

• … wird in ihrer Intuition gestärkt.

• … nimmt die Bedürfnisse ihres Kindes sensibler wahr und kann feinfühliger und sicherer darauf reagieren. Das ist sogar noch nach einem Jahr messbar! 

• … empfindet Schmerzen milder.

• … kann das Kind oft besser stillen.

• … erkrankt seltener an einer Wochenbett-Depression.

• … ist emotional ausgeglichener.

Und wenn kein Idealfall nach der Geburt vorliegt?

War die Geburt besonders anstrengend, benötigen manche Mütter in Ausnahmefällen noch ein wenig Zeit, um „sich zu sammeln“, bevor sie ihr Baby in Empfang nehmen möchten. Das ist in Ordnung und tut dem Bondingprozess keinen Abbruch. 

Natürlich gibt es auch medizinische Gründe, aus denen das beschriebene erste Kennenlernen nach der Geburt nicht oder nur eingeschränkt möglich ist. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Mutter und/oder Kind sofort im Anschluss an die Geburt medizinisch versorgt werden müssen und der ungestörte erste Haut-zu-Haut Kontakt deshalb nicht möglich ist. (Speziell auf die Situation nach Kaiserschnitt gehe ich in diesem Zusammenhang noch gesondert ein.) 

Viele Schwangere bzw. Wöchnerinnen machen sich deshalb Sorgen, ob eine gute Bindung zum Baby entstehen kann, wenn dieser erste Grundstein des Bondings fehlt. Doch da kann ich euch gleich beruhigen:

Unmittelbar nach der Geburt kann natürlich auch der Papa „einspringen“ und das Neugeborene auf seinem nackten Oberkörper kuscheln lassen. Darüber hinaus findet Bonding ja nicht nur in den Stunden nach der Geburt statt. Auch in den folgenden Tagen und Wochen geht es unabhängig davon, was bereits im Geburtszimmer stattgefunden hat, weiter. 

Mütter und Väter können den gegenseitigen Bindungsprozess mit ihrem Kind auf diese Weise fördern:

•  Viel Hautkontakt mit dem Kind: Dem Säugling gibt die Körperwärme von Mama und Papa ein geborgenes Gefühl. Hautkontakt bedeutet zugleich eine wohltuende, behutsame Massage, die das Baby genießt. 

•  Viel Tragen: Die Wärme und Geborgenheit spürt euer Baby auch, wenn ihr es möglichst oft im Arm haltet, es trägt und sanft wiegt. 

•  Viel direkter Blickkontakt mit dem Kind: Das Baby lernt mit der Zeit, die vertrauten Gesichter von Mama und Papa (wieder)zu erkennen. Auch das vermittelt ihm ein Gefühl von Sicherheit.

•  Viel sprechen mit dem Kind: Liebevoll mit eurem Baby zu reden und/oder ihm leise etwas vorzusingen, stärkt ebenfalls sein Sicherheitsgefühl.

•  Viel Ruhe: Gebt euch Zeit, euer Baby kennenzulernen. Hilfreich ist dabei eine ruhige Atmosphäre zu Hause ohne Reizüberflutung und andauernde Gäste. 

•  Viel Stillen: Das Stillen ist auf jeden Fall ein wahrer „Bonding-Booster“! 

Wenn das Bonding direkt nach der Geburt nicht möglich war, hilft vielen Mamas das  sogenannten Bonding-Bad dabei, den verlorenen Moment nachzuholen. Dabei badet die Mama gemeinsam mit dem Baby und legt sich danach behaglich Haut an Haut mit dem Baby ins Bett. Nachträglich wird dadurch der besondere erste Haut-zu-Haut-Kontakt nach der Geburt zu simuliert. Wenn auch du ein Bonding-Bad nehmen möchtest, solltest du damit aber warten, bis der Wochenfluss abgeklungen ist und deine Geburtswunden verheilt sind. Keine Sorge, das Bonding-Bad ist auch nach dem Wochenbett Balsam für eure Seele.

Bonding nach Kaiserschnitt

Unabhängig davon, wie fit das Baby ist, muss die Mutter nach einem Kaiserschnitt (Sectio) natürlich medizinisch versorgt werden. Der aufgebaute Sichtschutz zum unmittelbaren Operationsgeschehen schirmt die Frau zusätzlich ab, wenn sie nicht ohnehin in Vollnarkose liegt. In vielen Kliniken wird das Baby deshalb nach einem Kaiserschnitt zum ersten Kennenlernen dem Vater in den Arm gelegt – sofern er anwesend ist. So kann das Neugeborene nach der Geburt erstmal nur mit Papa kuscheln und „bonden“. Und zwar vorzugsweise auch Haut-an-Haut!

Mittlerweile ermöglichen aber immer mehr Kliniken auch das sogenannte „Sectio-Bonding“. Mütter, die Erfahrung damit gemacht haben, sind sehr begeistert davon. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Mutter bei Bewusstsein ist, wenn das Kind zur Welt gekommen ist und die Operation noch beendet werden muss. Das heißt: Der Haut-zu-Haut Kontakt ist nur möglich, wenn sie nicht in Vollnarkose liegt. 

In dem Fall wird der Mutter das Kind zum ersten Kennenlernen ebenfalls auf die nackte Brust gelegt. Oft wird dabei ein spezielles Bonding-Top verwendet. Das ähnelt einem breiten trägerlosen Stoffschlauch, den die Frau vor der Operation über ihren Oberkörper zieht. Unter dieses Bonding-Top wird dann das Baby auf Mamas Körper gelegt. Dies verhindert, dass das Neugeborene herunterfällt oder in den Operationsbereich rutscht. Wenn du weißt, dass dein Baby mit Hilfe eines Kaiserschnittes zur Welt kommen wird, kannst du dafür dein eigenes Bonding-Top mit zur Geburt nehmen.Für dieses Sectio-Bonding müssen jedoch bestimmte Abläufe bei einer Kaiserschnitt-Operation umgestellt werden und du solltest für diese Operation keine Vollnarkose benötigen.

Wenn du dir diesen ersten Kontakt mit deinem Baby wünschst, ist es wichtig, dass du das vorher mit der Hebamme in der Klinik bzw. den dortigen Ärztinnen/Ärzten besprichst. Das gilt insbesondere für geplante Kaiserschnitte. Schreibe das deshalb unbedingt in deinen Geburtsplan.

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Katharina Jeschke

Katharina Jeschke

Gründerin von elternundbaby.com und Hebamme

Als Geburtshausleiterin, Hebamme und Mutter unterstütze ich Frauen dabei ihre Herausforderung während, vor und nach der Schwangerschaft besser zu bewältigen.

Um noch mehr Frauen zu erreichen, startete ich elternundbaby.com. Ich freue mich darauf, dich hier begrüßen zu dürfen.