Die Plazenta ist ein wundervolles Organ: Es versorgt das ungeborene Kind mit allem, was es zum Leben und Wachsen benötigt, vor allem mit der immer genau richtigen Menge Sauerstoff und Nährstoffe. Es entsorgt sämtlichen „Abfall“, den das Ungeborene produziert. Es hält viele schädliche Stoffe, Viren und Bakterien von ihm fern. Und es produziert für den Erhalt der Schwangerschaft wichtige Hormone. Die Plazenta hat also auf jeden Moment der Schwangerschaft und auf jedes Bedürfnis des Kindes stets die richtige Antwort. Eigens zur Erfüllung dieser elementaren Aufgaben bildet sie sich in den ersten Schwangerschaftswochen. Hat sie ihre Aufgaben erledigt und ist das Kind geboren, verlässt die Plazenta den weiblichen Körper mit der Nachgeburt wieder. 

Das ist absolut einzigartig: Dieses Organ entsteht und arbeitet im weiblichen Körper nur für einen zeitlich begrenzten Nutzen! Vielleicht ist es also gar nicht so verwunderlich, wie sehr die Plazenta schon seit vielen Jahrhunderten die Menschen fasziniert. Sie ist sagenumwoben und von Riten umrankt. Ihr werden besondere Wirkungen nachgesagt, und selbst die medizinische Forschung interessiert sich für sie.

Ganz ehrlich – auch mich als Hebamme beeindruckt die Plazenta immer wieder. Schauen wir sie uns also etwas genauer an.

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Die Entstehung der Plazenta

Wurde eine Eizelle befruchtet, entsteht ganz am Anfang der Schwangerschaft zunächst nur ein kleiner „Zellhaufen“. Wenn sich dieses embryonale Gewebe (Keimblase bzw. Blastozyste) in der Schleimhaut der Gebärmutter einnistet, beginnt sich daraus auch der Mutterkuchen zu bilden. Denn aus einem Teil des „Zellhaufens“ entwickelt sich der Embryo – und aus dem anderen Teil entsteht die Plazenta. An ihrer Oberfläche wachsen verästelte fingerartige Zotten, die nun fest mit dem Gewebe der Gebärmutterwand verschmelzen. Noch etwas anderes macht dieses Organ so besonders: Es besteht sowohl aus mütterlichem wie auch aus embryonalem Zellgewebe. Diese einzigartige Beschaffenheit spiegelt sich zugleich in manchen Bezeichnungen wider, die der Plazenta in anderen Ländern verliehen werden. In Teilen Afrikas spricht man zum Beispiel vom „Zwilling des Kindes“, in Lettland von der „anderen Hälfte“ und in Mexiko vom „Gefährten“. In Deutschland sagt man oft „Mutterkuchen“, was der lateinischen Wortherkunft „plazenta = Kuchen“ nahkommt.  

Es dauert noch einige Wochen, bis aus kleinen mit Blut gefüllten Hohlräumen in der Plazenta die Nabelschnur entsteht. Sie verbindet das Organ dann für die Dauer der Schwangerschaft mit dem ungeborenen Kind. Bis dahin wird der Embryo vom sogenannten Dottersack ernährt, den du dir als eine Art „Anhang“ am Embryo vorstellen kannst.

Deine Plazenta passt sich gut dem Verlauf der Schwangerschaft an und wächst einfach mit. Kurz vor der Geburt ähnelt sie einer dunkelroten rundlichen Scheibe, hat einen Durchmesser von bis zu 20 Zentimetern und eine Dicke zwischen zwei und vier Zentimetern. Ihr Gewicht beträgt üblicherweise 500 bis 600 Gramm. Das Organ ist von 80 bis 100 sichtbaren Blutgefäßen durchzogen. In seiner Mitte liegt der „Anschluss“ der Nabelschnur. 

Die Arbeit der Plazenta

Der Mutterkuchen ist ein sogenanntes Stoffwechselorgan. Das heißt einerseits: Über durchlässige Wände wandern lebensnotwendige Stoffe, z. B. Sauerstoff, Vitamine und schützende Antikörper, von der Mutter zum Kind und kommen so in den kindlichen Blutkreislauf. Umgekehrt funktioniert der Stoffwechsel genauso gut: Vom Kind produzierte Abfallprodukte, z.B. Kohlendoxid und Harnstoff, gelangen ins mütterliche Blut. Der Körper der Schwangeren baut diesen „Abfall“ dann ab oder scheidet ihn aus.

Besonders praktisch daran: Die Nabelschnur ist quasi dreiadrig. In ihrem Inneren verläuft eine Nabelvene von der Plazenta zum Kind – und zwei Nabelarterien vom Kindes zur Plazenta. Die sogenannte Plazentaschranke, ein dünnes Häutchen, trennt Mamas und Babys Blut voneinander. So haben beide ihre eigenen Blutkreisläufe. Darüber hinaus filtert die Plazentaschranke vieles heraus, das dem Kind schaden könnte, etwa Viren und Bakterien. Die Schranke kann aber nicht alles abhalten. Gegen Alkohol und Nikotin ist die Plazenta  beispielsweise absolut wehrlos! Deshalb erreicht auch jeder Schluck Wein, Bier oder Härteres und jede Zigarette das Kind Eins zu Eins. Also unbedingt: Hände weg von beidem, liebe werdende Mutter!  

Neben diesem „Versorgungsprogramm“ ist es zudem Aufgabe der Plazenta, bestimmte Hormone zu bilden, die für den Erhalt der Schwangerschaft wichtig sind. Dazu gehört etwa Progesteron, das deine Periode unterdrückt, sowie HPL (humanes Plazenta-Laktogen), das deine Brust aufs Stillen vorbereitet.

Wenn dein Kind geboren wird, sorgen die Nachgeburtswehen dafür, dass sich die Gebärmutter zusammenzieht, damit sich der Mutterkuchen von der Gebärmutterwand lösen und ausgestoßen werden kann. Denn nun hat sie alle Aufgaben erledigt. Das passiert meistens 10 bis 30 Minuten nach der Geburt. Mehr zu Babys ersten Lebensstunden findest du hier.

Ist auch die Plazenta zusammen mit der Eihülle und Nabelschnurresten geboren,  untersucht die anwesende Hebamme oder die Ärztin/der Arzt diese Nachgeburt gründlich. Denn es muss sichergestellt sein, dass sie vollständig ist und keine Rückstände im Körper der Mutter geblieben sind.

Die Hebamme wird dich wahrscheinlich auch fragen, ob ihr euch deine Plazenta anschauen möchtet. Außerdem kannst du entscheiden, was jetzt damit geschehen soll – rechtlich gehört das Organ nämlich der Mutter. Du musst deshalb auch entscheiden, ob die Klinik deine Plazenta im Abfall entsorgen darf.

Das Ende der Plazenta

Nachdem der Mutterkuchen den Körper der Frau verlassen hat, gibt es verschiedene Möglichkeiten, was damit geschehen soll bzw. kann. Falls du die Plazenta mitnehmen möchtest, besprich das am besten im Vorfeld mit deiner Hebamme. Sie weiß, ob gegebenenfalls noch bestimmte Vorkehrungen auch seitens der Klinik dafür getroffen werden müssen, zum Beispiel wenn du aus der Plazenta Globuli oder Kapseln herstellen lassen möchtest.

Nach meiner Erfahrung lassen die meisten Eltern die Plazenta in der Klinik. Dort wird sie dann entsprechend entsorgt, das heißt verbrannt. Daneben gibt es verschiedene andere Möglichkeiten, mit ihr weiter zu verfahren:

Vergraben: Manche Eltern nehmen die Plazenta mit nach Hause, um sie im Garten zu vergraben und darauf ein Bäumchen zu pflanzen.

Den Mutterkuchen zu vergraben ist ein alter, bekannter und weit verbreiteter Brauch, auch in anderen Ländern. Bereits in der griechischen Antike kannte man das Ritual, die Plazenta als „Nährerin“ des Kindes der nährenden Erde zurückzugeben. Auch Funde von historischen Tontöpfen, in denen Plazentareste identifiziert werden konnten, zeugen von einer Art Bestattung der Plazenta. Im Mittelalter ging der Aberglaube um, Hexen oder Zauberinnen könnten aus der Plazenta einen sog. Wechselbalg machen und mit dem echten Baby vertauschen. „Sicherheitshalber“ vergrub man das Organ deshalb unter der Türschwelle des Hauses, im Keller oder sogar im Familiengrab.

Bevor du deine Plazenta im Garten vergräbst, solltest du dich aber unbedingt erkundigen, ob das bei dir auch erlaubt ist. Das Abfallentsorgungsgesetz regelt das regional.

Globuli/Kapseln herstellen lassen: Von entsprechend spezialisierten Apotheken kannst du ein Stückchen deiner Plazenta auch zu Globuli (Plazenta-Nosoden) verarbeiten lassen. Da der Mutterkuchen aus Gewebe von Mutter und Kind besteht, sollen die homöopathischen Kügelchen auch beiden bei verschiedenen Beschwerden Linderung verschaffen. Dazu gehören beispielsweise Situationen, in denen das Kind Blähungen oder Stress hat. Bei der Mutter soll es unter anderem die Milchproduktion unterstützen oder bei Schwierigkeiten mit der Periode helfen.

Auch Plazenta-Kapseln sollen der Frau gesundheitlichen Nutzen bringen, etwa den Oxytocin-Spiegel verbessern oder sie vor Wochenbett-Depressionen schützen. Zur Erinnerung: Oxytocin ist das Kuschel- und Glückshormon, das für Wohlbefinden sorgt und die Bindung von Mutter und Kind verstärkt.  

Aber Achtung: An dieser Stelle muss ich dich jedoch darauf hinweisen, dass es zum Nutzen von Globuli oder Kapseln aus Plazentagewebe keine aussagekräftigen Studien gibt. Angebliche positive Wirkungen sind nicht wissenschaftlich bestätigt. Sie fußen eher auf Erfahrungsberichten von Müttern. Ob ein „beobachteter“ Effekt tatsächlich mit der Einnahme entsprechender Präparate in Zusammenhang steht, nur zufällig ist oder gar auf dem Placebo-Effekt beruht, ist nicht geklärt.

Im Gegenteil: Viele Mediziner*innen und Wissenschaftler*innen warnen davor, solche Produkte einzunehmen oder die Plazenta gar zu verzehren. In der Plazenta wurden nämlich bereits Schadstoffe nachgewiesen. Was wohl auch nicht überrascht, wenn man sich ihre Aufgabe als Stoffwechselorgan vergegenwärtigt. Früher wurden Plazenten auch an die Kosmetikindustrie verkauft. Das wird aufgrund der Schadstoffe heute nicht mehr gemacht. Hinzu kommt, dass die Plazenta auch nicht steril ist. Schließlich wird sie bei der Geburt mit vielen unterschiedlichen, auch krankmachenden Keimen verunreinigt.

Verzehren: Vielleicht denkst du jetzt gerade mit einem Anflug von Ekel: „Wie bitte, wer kommt denn bloß auf die verrückte Idee, seine Plazenta zu essen?!“ Tatsächlich kursieren im Internet aber genau dazu Rezepte, vom Plazenta-Smoothie über Plazenta-Kuchen bis zur Plazenta-Pizza. Damit sollen angeblich positive Wirkungen für die Gesundheit der Mutter erzielt werden. Aber auch hier gilt mein Warnhinweis: Es gibt keine belastbaren Nachweise zu dieser Annahme – und die Gefahr der Schadstoff- und Keimbelastung bleibt natürlich auch. 

Beforschen lassen: Außerdem hast du die Möglichkeit, deine Plazenta der Forschung zu spenden. Um noch mehr Wissen über die Arbeit der Plazenta und ihre Rolle für Mutter und Kind zu erlangen, ist die internationale Forschung seit Jahren aktiv. Zum Beispiel untersuchen Forscherteams den Einfluss auf das Immunsystem von Baby und Mama.

Kunst daraus machen: Manche Frauen lassen als bleibende Erinnerung sogar ein Schmuckstück aus getrocknetem Plazentapulver anfertigen, zum Beispiel einen Kettenanhänger.

Oder sie lassen auf Papier bzw. Leinwand die Plazenta zum Kunstprojekt werden: Wird das frische Organ auf den Untergrund gedrückt, so entsteht ein Abdruck mit einem verästelten Muster. Dieses Bild lässt sich dann kreativ weiterentwickeln. Auch dafür kann man Künster*innen engagieren.

Ob solche Methoden dein Fall sind, bleibt dir selbst überlassen. Mir persönlich gefällt die Idee, die Plazenta bestimmten Forschungszwecken zuzuführen, eigentlich ganz gut. Wir wissen zwar schon viel über dieses Wunderwerk – aber es würde Müttern und Kindern weiterhelfen, wenn wir noch mehr darüber erfahren könnten.

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Katharina Jeschke

Katharina Jeschke

Gründerin von elternundbaby.com und Hebamme

Als Geburtshausleiterin, Hebamme und Mutter unterstütze ich Frauen dabei ihre Herausforderung während, vor und nach der Schwangerschaft besser zu bewältigen.

Um noch mehr Frauen zu erreichen, startete ich elternundbaby.com. Ich freue mich darauf, dich hier begrüßen zu dürfen.