Fragt man hundert Mütter nach ihren Geburtserfahrungen, so wird man hundert unterschiedliche Antworten erhalten. Antworten, die berühren, die polarisieren, die ermutigen, die Bewunderung hervorrufen, die Staunen auslösen, die Ängste schüren. Jede Geburt ist eben einzigartig, keine wie eine andere. Und das, obwohl in Deutschland 30 von 100 Müttern ihr Kind auf vergleichbare Weise bekommen haben: nämlich per Kaiserschnitt  (lateinisch Sectio). Laut Statistischem Bundesamt lag die Kaiserschnittrate im Jahr 2021 bei 30,9 Prozent. 

Wie viele dieser vielen durchgeführten Schnittentbindungen aus verschiedenen Gründen medizinisch angezeigt waren und wie viele „nur“ auf Wunsch der Schwangeren stattfanden, wurde und wird nicht erhoben. Mangels einer klaren Definition und  oftmals erwarteten Abrechnungsschwierigkeiten für einen „Wunschkaiserschnitt“ (dazu unten mehr) dürfte es auch schwierig sein, die Realität in Zahlen zu erfassen. Schätzungen für „Wunschkaiserschnitte“ reichen von 25 % in Europa bis 2 % in Deutschland

Wenn du noch mehr zu allgemeinen Kaiserschnitt-Raten, Ablauf einer Sectio u. a. wissen möchtest, kannst du das auf meinem Blog hier  nachlesen. Informiere dich auch auf meinem Blog darüber, wie du deine Kaiserschnittnarbe pflegen kannst.

Was bedeutet „Wunschkaiserschnitt“?

Grundsätzlich spricht man vom „Wunschkaiserschnitt“, wenn für den Eingriff keine medizinische Notwendigkeit besteht und er auf Wunsch der Frau trotzdem vorgenommen wird. Der Begriff wird jedoch weder einheitlich definiert noch verwendet. Manchmal wird in diesem Zusammenhang auch von „elektive Sectio“ gesprochen, übersetzt also „gewählter Kaiserschnitt“. In einigen Fachkreisen ist auch etwas abfällig von „Gefälligkeitssectio“ die Rede. 

Der springende Punkt dabei ist folgende Frage: Was ist „medizinisch notwendig“? Nur 10 % der in Deutschland vorgenommenen Kaiserschnitte sind medizinisch zwingend erforderlich, um Mutter und/oder Kind das Leben zu retten. Das gilt beispielsweise, wenn das Kind quer liegt oder unter der Geburt unter akutem Saustoffmangel leidet oder die Gebärmutter zu reißen droht. 

Freilich haben wir es im Umkehrschluss nicht mit 90 % überflüssigen Kaiserschnitten zu tun, denn das Spektrum von „zwingend notwendig“ bis „überflüssig“ ist entsprechend groß. Da sind z.B. die vielen Fälle von physischen Indikationen, bei denen einer Frau ein Kaiserschnitt angeboten oder empfohlen wird. Ein solcher Grund kann beispielsweise eine Beckenendlage des Kindes (mit dem Po voraus) oder ein vorausgegangener Kaiserschnitt sein. In beiden Fällen ist eine Sectio jedoch nicht grundsätzlich zwingend, sondern muss im Einzelfall abgewogen werden. Es ist also sehr fraglich, ob das bereits als „Wunschkaiserschnitt“ durchgeht, wenn sich die Frau dann für eine Schnittentbindung entscheidet.

Dann gibt es Frauen, die sich trotz unauffälliger Schwangerschaft und erwartbar unkompliziertem Geburtsverlaufs aus Angst vor einer vaginalen Geburt einen Kaiserschnitt wünschen. In solchen Fällen kann die Ärztin bzw. der Arzt eine psychische Indikation für einen Kaiserschnitt attestieren – und schon wäre er „notwendig“. 

Wir wollen auch zu jenen Frauen blicken, die die Schmerzen und Risiken einer Spontangeburt scheuen. Weil sie sich das meist nicht „einfach nur so“ ersparen wollen, entscheiden sich auch diese Frauen nicht leichtfertig für eine Sectio. Auch ich habe bereits Mütter betreut, die sich die Entscheidung für oder gegen einen Kaiserschnitt ohne medizinischen Grund nicht leicht gemacht haben. 

Es ist also ein weites Feld an Gründen und Hintergründen, in dem sich Schwangere auf dem Weg hin zu einer Schnittentbindung bewegen.

Übrigens: Die Frage der medizinischen Notwendigkeit entscheidet auch darüber, ob die gesetzliche Krankenkasse die Kosten für eine Sectio übernimmt (ca. 3.000 bis 4.000 Euro). Jedoch wird wohl in den allermeisten Fällen die Ärztin/der Arzt die Notwendigkeit des Kaiserschnittes bestätigen. Für ein Krankenhaus ist dieser Eingriff zudem lohnender als eine Vaginalgeburt: Eine geplante Sectio ist gut mit Dienstplänen zu vereinbaren, bedeutet weniger Aufwand und spült auch mehr Geld in die Kasse. 

Welche Gründe haben Frauen für einen Wunschkaiserschnitt?

Nach einer Erhebung ist der mit Abstand häufigste Grund für einen „Wunschkaiserschnitt“ die allgemeine Angst vor der vaginalen Geburt. Mehr als ein Viertel der Schwangeren (26 %) sorgt sich um mögliche Verletzungen und Komplikationen. Weitere Gründe sind die konkrete Furcht vor Schmerzen oder Beschädigung des Beckenbodens (jeweils 13 %). Aber auch die Angst, unter der Geburt zu versagen bzw. die Kontrolle zu verlieren, spielt für nicht wenige Frauen eine Rolle. Andere schätzen die bessere Planbarkeit des Geburtstermins. Auch Babys mit voraussichtlich überdurchschnittlichem Geburtsgewicht (circa 4.000 Gramm) und Größe sind für einige Frauen der Grund, sich für einen Kaiserschnitt zu entscheiden. 

Manchmal führen auch Ereignisse und Erfahrungen in der Vergangenheit der Frauen zu einem Sectio-Wunsch. Das kann etwa eine langwierige Kinderwunschbehandlung sein, die das Bedürfnis nach (vermeintlich) maximaler Sicherheit bei der Geburt geweckt hat. Auch eine vorausgegangene traumatisierende Entbindung oder eine bereits erlebte Fehlgeburt in der zweiten Schwangerschaftshälfte (intrauteriner Fruchttod) sind mögliche Motive für einen „Wunschkaiserschnitt“. Gleiches kann gelten, wenn eine Frau (sexuelle) Gewalt erlitten hat.

In allen diesen Fällen ist der Wunsch nach einer Schnittentbindung nachvollziehbar und ernstzunehmen. Nur wäre es kein fachlich gutes und angemessenes Handeln seitens der Geburtshelfer*innen, Hebammen und Ärztinnen/Ärzte, diesen Wunsch einfach nur hinzunehmen, ohne der betroffenen Frau Gespräche darüber anzubieten. 

Natürlich sollte jede Schwangere zunächst sorgsam darüber aufgeklärt werden: So es möglich ist, bleibt eine Spontangeburt auf vaginalem Weg immer noch die beste Art der Entbindung für Mutter und Kind. Denn die Sectio birgt für beide auch Risiken. Sollten Ängste, Furcht oder negative Vorerfahrungen einer Spontangeburt jedoch im Wege stehen, so kann ein einfühlsames und verständnisvolles Gespräch derartige Blockaden möglicherweise lösen. Je nach Motiv der betroffenen Frau kann über viele Fragen gesprochen werden: Wie lässt sich Wehenschmerz spürbar lindern? Was könnte das Sicherheitsgefühl der Frau stärken? Und was ihr Vertrauen in sich und die geburtshilfliche Unterstützung? Woher kommt die Angst der Frau vor dem Versagen bei der Geburt? Womit könnte man ihrer Furcht jenseits eines Wunschkaiserschnittes begegnen? Manchmal müssen auch vorangegangene negative Geburtserfahrungen erst noch bearbeitet werden, bevor sich eine Schwangere einer neuen Entscheidung öffnen kann.

Wichtig bei solchen Gesprächen, die vor allem mit Hebammen vertrauensvoll geführt werden können, ist die Ergebnisoffenheit. Ziel sollte nicht sein, die Frau um jeden Preis vom Wunschkaiserschnitt „abzubringen“ oder sie zu einer vaginalen Geburt zu „überreden“. Vielmehr ist mit ihr gemeinsam zu ergründen, welche Maßnahmen und welcher Weg sie eine mögliche Alternative zur Sectio denken lassen könnte. Das setzt viel Empathie, Kompetenz und Vorurteilsfreiheit seitens der Beratenden voraus.

Vorteile und Nachteile

Kamen in Deutschland 1991 noch rund 15 % der Kinder per Sectio zur Welt, so sind es heute doppelt so viele (30,9 %). Dieser rasante Anstieg wird seit längerem in Fachkreisen diskutiert. Herausgekommen ist dabei eine neue Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Danach sollen Schwangere noch besser über den Kaiserschnitt aufgeklärt werden. Offenbar unterschätzen viele Frauen noch Ausmaß und Folgen einer Sectio. Auch wenn dieser Eingriff heute sehr sicher geworden ist, bleibt er nicht frei von Risiken. Immerhin geht es dabei um eine sogenannte große Bauch-Operation (Laparotomie).

Eine Sectio bringt fraglos bestimmte Vorteile mit sich – birgt aber auch viele a Nachteile. Beides will ich hier einmal kurz beleuchtet:

Zwar hat die Frau während des Eingriffs keinen Wehenschmerz, jedoch hat sie hinterher länger mit Schmerzen bei der Wundheilung und an ihrer Kaiserschnittnarbe zu tun. Entsprechend ist die Mutter nach dem Eingriff länger als nach einer vaginalen Entbindung nur eingeschränkt körperlich belastbar. Auch die Gebärmutter bildet sich nach einem Kaiserschnitt langsamer zurück als nach einer natürlichen Geburt. Für weitere Schwangerschaften und Geburten kann sich das Risiko für Komplikationen erhöhen. 

In jedem Fall bestehen für die Frau die allgemeinen Risiken einer Operation wie beispielsweise Narkoserisiko, Infektionen, Thrombosen u. ä. 

Die Risiken beschränken sich aber nicht nur auf diese Geburt, sie ziehen sich auch in mögliche Folgeschwangerschaft. So sinkt die Chance Schwanger zu werden und es steigt u. a. das Risiko eines Abortes beim nächsten Baby.

Auf der anderen Seite bleiben der Frau mit dem Kaiserschnitt mögliche andere Geburtsverletzungen wie Dammschnitt/-riss und/oder weitere Beeinträchtigungen des Intimbereichs erspart. In diesem Zusammenhang muss ich jedoch der Annahme, mit einer Sectio den Beckenboden zu schonen, widersprechen: Denn bereits während der Schwangerschaft ist der Beckenboden starker Belastung ausgesetzt, vor allem in letzten Schwangerschaftsdrittel. 

Das Kind ist mit Kaiserschnitt nicht dem Risiko ausgesetzt, Sauerstoffmangel aufgrund von Komplikationen zu erleiden. Gleiches gilt für mögliche Verletzungen an Armen oder Schulter. Allerdings können Neugeborenen nach Sectio eher Probleme mit dem selbständigen Atmen haben. Der Grund: Anders als bei einer vaginalen Geburt durch den engen Geburtskanal wird das Fruchtwasser bei einem Kaiserschnitt nicht gänzlich aus den kleinen Lungen herausgepresst. In der Folge brauchen die Kleinen nach der Geburt häufiger noch Unterstützung beim Atmen. Außerdem bekommen Babys bei einer Vaginalgeburt wertvolle mütterliche Mikroorganismen (z. B. bestimmte „gute“ Bakterien) mit auf den Weg, die für die Verdauung und das Immunsystem wichtig sind. Das ist beim Kaiserschnitt nicht der Fall. 

Eine Angst kann ich euch aber nehmen: Immer mehr Kliniken ermöglichen es heute der Mutter mit dem sogenannten Sectio-Bonding, auch bei Kaiserschnitt ihr Baby auf die Brust zu nehmen – immer vorausgesetzt, der Gesundheitszustand von beiden lässt das zu und die Mutter liegt nicht in Vollnarkose. Dennoch lassen sich bei Babys, die mit Kaiserschnitt geboren wurden, öfter Anpassungsschwierigkeiten beobachten. 

Böse Stimmen, die Frauen schwächen

Vor allem „Wunschkaiserschnitte“ werden oft mit dem Klischee überzogen, „mal eben locker“ ein Kind zu bekommen, wie es dazu noch in den Terminkalender passt. Oder wie es die englische Redewendung behauptet: „Too posh to push“ (frei übersetzt: „Ist sich zu fein zum Pressen“). Und es sind leider häufig genug auch Frauen bzw. Mütter selbst, die nicht gerade zimperlich in ihren kritischen Äußerungen gegenüber anderen Müttern mit „Wunschkaiserschnitt“ sind. 

Mittlerweile müssen sich viele Frauen, die aus unterschiedlichen Gründen – auch medizinisch indizierte – per Kaiserschnitt entbunden haben, herbe Kritik anhören. Die Behauptung, ihnen fehle das „richtige Geburtserlebnis“, gehört wohl noch zu den „harmloseren“ Äußerungen. Andere Stimmen meinen zu wissen, „echtes Bonding“ sei mit einem Kaiserschnitt sowieso nicht möglich. Eine Mutter, deren vaginale Geburt in einem Notkaiserschnitt endete, berichtete mir einmal unter Tränen, dass sie sich anhören musste, das wäre sicher anders gelaufen, wenn sie sich nur mehr angestrengt hätte. 

Der Begriff vom „Kaiserschnitt-Bashing“ macht seine traurige Runde. Deshalb appelliere ich an alle, die sich daran beteiligen: Hört auf mit dem Verunglimpfen von anderen Müttern! 

Natürlich ist es gerade uns Hebammen ein echtes Anliegen, Frauen zu ermutigen und zu bestärken, eine Geburt als einen natürlichen Vorgang wahrzunehmen und zu erleben. Deshalb gefällt uns gar nicht, dass die Geburt zunehmend zu einem medizinischen Vorgang umdefiniert wird. Dass die Kaiserschnittrate in Deutschland konstant hoch liegt, ist zu kritisieren – aber schwerlich den Frauen anzulasten. Und ich mag auch die Vorstellung nicht, dass bei der Entbindung zwischen Vaginalgeburt und Kaiserschnitt so gewählt werden könne wie auf einer Speisekarte zwischen Pizza und Pasta. Was in Wirklichkeit natürlich keine Frau tut – ihr aber in dieser Weise wohl nicht selten so angeboten wird.

Meine Meinung: Niemand hat das Recht, einer Frau die Geburt ihres Kindes abzusprechen. Niemand hat das Recht, eine Geburtsart als „wertvoller, richtiger, ethisch besser“ zu bezeichnen und eine andere herabzuwürdigen. Eine Schnittentbindung ist eben ein anderes Geburtserlebnis als das einer Vaginalgeburt. Gleichermaßen ist eine Vaginalgeburt mit PDA aber auch ein anderes Geburtserlebnis als eine Spontangeburt ohne PDA. Diese „Vergleichsreihe“ lässt sich beliebig fortsetzen: mit mehr oder weniger Schmerzmittel entbinden, mit längerer oder kürzerer Geburtszeit etc. 

Ich sage es noch einmal: Keine Frau hat „versagt“ oder „Geringeres geleistet“, weil sie mit Kaiserschnitt entbunden oder mehr Schmerzmittel benötigt hat! Und keine Frau ist besser als andere, weil sie die Geburt „schneller“ oder „natürlicher“ erledigt hat oder keine Momente erlebte, in denen sie „nicht mehr konnte“.

Wir sollten allen Müttern mit Respekt, Anerkennung, mehr Verständnis und echter Empathie begegnen. Jede einzelne hat das verdient! Schließlich gibt es nicht nur den einen „richtigen“ Weg für alle, weil eben jede Frau auch einzigartig ist und zur Geburt auch ihre individuellen Voraussetzungen mitbringt. Meine Erfahrung: Wenn man hundert Mütter nach ihrem Kaiserschnitt befragt, erhält man ebenso hundert unterschiedliche Antworten zu ihrem Erleben.

Welche Entscheidung treffen?

Als Argument für einen „Wunschkaiserschnitt“ wird gerne das Recht auf eine selbstbestimmte Geburt angeführt. Auch ich plädiere für Selbstbestimmung. Sie sollte jedoch nicht mit erhofften Garantien verwechselt werden. Weder bei einer Sectio noch bei einer natürlichen Geburt gibt es im Voraus eine Garantie auf absolute Sicherheit, auf das beste Geburtserlebnis, auf höchste Anerkennung oder auf was auch immer. 

Ich habe bei meiner Arbeit immer wieder erlebt, wie sehr es Schwangeren hilft, wenn sie ihre Sorgen und Nöte aussprechen können und dabei ernst genommen werden. Je besser Frauen informiert sind, desto besser können sie ihre Gedanken einordnen und differenziert betrachten. Auf diese Weise würden dann auch nicht Ängste eine Entscheidung leiten, sondern Aufgeklärtheit und Selbstreflexion. Dazu kannst du mich auch gerne in meiner online Beratung kontaktieren.

Und in jedem Fall ist für die Entscheidung ob die Geburt eine Wunsch-Sectio sein soll, aber auch für den Kaiserschnitt ein Geburtsvorbereitungskurs notwendig. Denn jede Geburt benötigt eine gute und intensive Vorbereitung und auch für den Kaiserschnitt ist das Beherrschen der Atemtechnik wichtig. Denn das Baby benötigt auch bei dieser Geburt die bewusste und zugewandte Atmung der Mama. 

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Katharina Jeschke

Katharina Jeschke

Gründerin von elternundbaby.com und Hebamme

Als Geburtshausleiterin, Hebamme und Mutter unterstütze ich Frauen dabei ihre Herausforderung während, vor und nach der Schwangerschaft besser zu bewältigen.

Um noch mehr Frauen zu erreichen, startete ich elternundbaby.com. Ich freue mich darauf, dich hier begrüßen zu dürfen.