Am Geburtstag, auf der Hochzeit guter Freunde, an gemütlichen Weihnachtsabenden oder zum Jahresausklang, da kann ein Schlückchen Alkohol ja wohl nichts schaden, oder? Im Prinzip nicht – sofern du nicht schwanger bist. Erwartest du jedoch ein Kind, so sollte Alkohol für dich absolut tabu sein, ganz gleich, aus welchem Anlass er dir angeboten wird. 

Was mir im Hebammenalltag ständig begegnet, bestätigt auch das Bundesgesundheitsministerium: Ein großer Teil unserer Gesellschaft pflegt einen unkritischen Umgang und eine positive Einstellung zum Alkoholkonsum. Und das leider oft auch noch während der Schwangerschaft, obwohl die Folgen für das Kind gravierend sein und sich im schlimmsten Fall lebenslang auswirken können. Es zeigen Erhebungen, dass in Deutschland fast jede fünfte Schwangere trotzdem Alkohol konsumiert. Und dabei reden wir hier nicht von jenen Frauen, die noch gar nicht wussten, dass sie ein Kind erwarten. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen berichtet, dass 8 % der Schwangeren sogar solche Mengen Alkohol zu sich nehmen, dass diese auch für nicht schwangere Frauen als riskant gelten. Als „riskant“ gelten dabei täglich 12 Gramm reiner Alkohol, das entspricht täglich einem kleinen Glas Wein. Entgegen mancher Erwartung deuten die Erkenntnisse auch darauf hin, dass Frauen mit höherem sozialen Status tendenziell mehr Alkohol während der Schwangerschaft trinken.

Es ist erschreckend: 44 % der Deutschen wissen nicht, dass Alkoholkonsum in der Schwangerschaft beim Kind bleibende Schäden hervorrufen kann! Aus diesem Grund wird gar nicht so selten versucht, selbst Schwangeren ein Gläschen aufzunötigen. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich noch gut an die 31-jährige Stella, eine von mir betreute Schwangere. Sie strich sich über ihren runden Babybauch und erzählte mir empört: „Mir macht es überhaupt nichts aus, für unseren kleinen Mann hier drin gänzlich auf Alkohol zu verzichten, und das auch noch, solange ich stillen werde. Aber es nervt mich total an, dass ich mir schon aus meinem Umfeld anhören musste, dass ja ‚mal ein Gläschen Wein‘ sicher nicht schade.“ Solche „Ermunterungen“ braucht wahrlich keine Schwangere!  

Und um es bereits an dieser Stelle klarzustellen: Es gibt weder eine bestimmte Alkoholmenge, die wissenschaftlich als „unbedenklich“ in der Schwangerschaft gilt, noch einen Schwangerschaftsabschnitt, in dem es „sicher“ wäre, Alkohol zu trinken.

Die Gefahr, sein Kind durch Alkoholkonsum während der Schwangerschaft zu schädigen, besteht nicht allein für Frauen, die alkoholabhängig sind. Daher gilt hier dasselbe wie beim Rauchen in der Schwangerschaft: Kompletter Verzicht ist das Beste, was du in der Schwangerschaft für dein Kind tun kannst! 

Auswirkungen von Alkoholkonsum auf das Ungeborene

Es hängt von der konsumierten Menge sowie vom Trimester ab, welche Gefahren durch Alkoholkonsum für die Entwicklung des ungeborenen Kindes bestehen. Fakt bleibt jedoch: 

• Alkohol ist ebenso wie Nikotin ein Nervengift.

  • Alkohol und seine Abbauprodukte überwinden die Plazentaschranke. Das Baby im Bauch „trinkt“ deshalb unfreiwillig mit.

Über die Plazenta und Nabelschnur nimmt das ungeborene Baby den Alkohol und auch die schädigenden Abbauprodukte, wie bspw. Acetaldehyd, auf. Es kann ihn jedoch viel schlechter abbauen als die Mutter. So erreicht das Ungeborene schnell den gleichen Promillewert wie die Mutter, bleibt jedoch schätzungsweise zehnmal länger alkoholisiert als sie. Im äußersten Fall muss das Neugeborene einer alkoholabhängigen Mutter in seinen ersten Lebenstagen bereist eine Entziehungskur absolvieren.

In den ersten drei Schwangerschaftsmonaten kann es durch Alkohol verstärkt zu körperlichen Fehlbildungen beim Kind kommen. Das schließt auch eine gestörte Entwicklung der Gehirnzellen nicht aus: Das Gehirn alkoholgeschädigter Kinder ist kleiner als bei nichtgeschädigten Kindern. Außerdem besitzt es weniger Gehirnzellen, was wiederum zu späteren Entwicklungsstörungen führt. 

Im zweiten Schwangerschaftsdrittel erhöht der Alkoholkonsum das Risiko für Fehlgeburten und bedingt Wachstumsstörungen des Kindes. 

Im dritten Trimester legt das Baby besonders viel an Körperwachstum zu, einschließlich Gehirnwachstum. Diese Entwicklung wird durch Alkohol stark beeinträchtigt, so dass Babys Körper und Gehirn gestört wird. Daher bilden die Gehirnzellen weniger Verbindungen untereinander aus, sie können aber auch absterben. 

Fetale Alkohol Spektrum Störungen (FAS)

Oft sieht man den Babys von Mütter, die in der Schwangerschaft regelmäßig Alkohol konsumieren, Beeinträchtigungen bereits sogar an. Im Gesicht betroffener Kinder erkennt man manchmal Auffälligkeiten wie kleine Augen mit leichtem Schielen, eine fehlende Nasenrinne sowie eine gerade schmale Oberlippe. 

Außerdem kommen diese Kinder häufig kleiner und auch mit einem kleineren Kopf (durch das kleinere Gehirn) auf die Welt. Auch das Geburtsgewicht liegt häufig deutlich unter dem Durchschnitt. 

Hinzu kommen Verhaltensauffälligkeiten aufgrund des geschädigten zentralen Nervensystems sowie eben Entwicklungsstörungen. Das können körperliche und/oder geistige Behinderung sein sowie Herzfehler, Lernstörungen, Sprachprobleme oder Hyperaktivität. Damit ähneln einige Symptome auch denen von ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) und erschweren damit die Diagnose FASD in vielen Fällen. In der Folge erhalten nicht wenig betroffene Kinder erst spät oder vielleicht auch nie eine entsprechende Diagnose. 

Alkoholbedingte Schädigungen bezeichnet man in der Fachsprache Englisch als Fetal Alcohol Spectrum Disorder (FASD) oder Deutsch als Fetale Alkohol Spektrum Störungen (FAS). Schätzungsweise werden in Deutschland jährlich etwa 12.000 Babys mit alkoholbedingten Folgeschäden geboren. Von diesen Kindern leiden etwa 3.000 bis 4.000 unter besonders schweren Entwicklungsstörungen. Damit gehören FASD-Störungen zu den häufigsten angeborenen Behinderungen. Aus dem Leben eines fünfjährigen Mädchens mit FASD kannst du beispielsweise hier mehr erfahren. 

Außerdem muss man sich immer vergegenwärtigen: Alkoholbedingte geistige Beeinträchtigungen eines Babys sind nicht mehr umkehrbar – sie beeinträchtigen die betroffenen Kinder ihr Leben lang. Das bedeutet: Auch als Jugendliche und Erwachsene ist es den meisten Betroffenen nicht möglich, ein selbstständiges bzw. selbstbestimmtes Leben zu führen. Erhebungen zeigen, dass sie auch häufiger straffällig werden und die meisten von ihnen keiner Arbeit nachgehen (können).

Merke: Sämtliche alkoholbedingten Beeinträchtigungen des Kindes sind komplett vermeidbar durch konsequentem Alkoholverzicht der Mutter! 

Und wenn ich nicht wusste, dass ich schon schwanger bin?

Da eine Schwangerschaft nicht selten auch ungeplant eintritt, wissen manche Frauen noch nichts davon, wenn sie Alkohol trinken. Viele haben dann hinterher ein schlechtes Gewissen und machen sich große Sorgen. In diesem Zusammenhang möchte ich dir hier noch kurz einen cleveren Schachzug der Natur vorstellen: das Alles-oder-Nichts-Prinzip. 

Circa in den ersten zwei Wochen nach der Befruchtung nistet sich nur eine bis dahin gesunde Eizelle in der Gebärmutter ein. Ist sie dagegen bereits (erheblich) geschädigt, wird sie sich nicht weiter teilen und gar nicht erst einnisten, sondern vom Körper abgestoßen werden. Das hat die Natur so eingerichtet. Die betroffene Frau erlebt das als ggf. „verspätete“ Regelblutung und bekommt von diesem Abort nichts mit. 

Sobald eine Schwangerschaft jedoch bekannt ist, solltest du konsequent auf Alkohol verzichten. Noch besser wäre der Verzicht bereits in der „Planungs- und Versuchsphase“. Wer also schwanger werden möchte bzw. sich um eine Schwangerschaft schon bemüht, lässt am besten gleich die Finger von alkoholischen Getränken. Damit kannst du einen wertvollen Beitrag zur erfolgreichen Erfüllung eines Kinderwunsches leisten.

Alkohol in der Stillzeit

Auch Alkohol und Stillen ist eine Kombination, die du besser weglassen solltest. Das berühmte „Gläschen Sekt“, das die Milchproduktion angeblich anregen soll, gehört nämlich ins Reich der Ammenmärchen. Tatsächlich kann Alkohol die Milchproduktion sogar beeinträchtigen, so dass gerade weniger Muttermilch gebildet wird. Außerdem wirkt sich Alkohol möglicherweise negativ auf den Schlaf- und Wachrhythmus des Babys aus. 

Hat die Mutter Alkohol getrunken, weist ihre Milch den gleichen Promillewert auf wie ihr Blut. Selbst winzige Restmengen Alkohol riecht und schmeckt dein Baby noch – und würde sich daran gewöhnen. Es dauert circa ein bis drei Stunden, bis der Alkohol im Blut eines Erwachsenen wieder abgebaut ist. Dieser Prozess lässt sich auch durch schwarzen Kaffee, saure Lebensmittel, Fischspeisen oder flotte Bewegung u. ä. nicht beschleunigen. So sind gerade sehr junge Babys, die auch mal in unregelmäßigen bzw. kürzeren Abständen nach der Brust verlangen, gefährdet.  

Für dich und dein Baby ist es also am sichersten, wenn du auch während der Stillzeit auf Alkohol in jeglicher Form verzichtest. Das gilt vor allem für den Zeitraum, in dem du dein Baby noch ausschließlich mit Muttermilch ernährst. 

Neben den körperlichen Auswirkungen gibt es aber noch einen gewichtigen weiteren Grund gegen den Konsum von Alkohol in der Säuglingszeit.

Die Fürsorge für das Baby ist herausfordernd und komplex. Insbesondere dann, wenn das Kind in eine Notsituation gerät, weil es beispielsweise krank ist. Eltern fühlen sich in solchen Situationen unsicher. Das ist verständlich. Schließlich sind diese Situationen selten und kommen immer in gewisser Weise überraschend. 

Dann aber ist es wichtig, dass Eltern schnell die richtigen Entscheidungen treffen und besonnen und richtig reagieren. Das ist eine Herausforderung, die allein schon aufgrund des normalen Schlafmangels frisch gebackener Eltern besonders hoch ist. Der zusätzlich Konsum auch kleiner Mengen Alkohol macht solche Situation gefährlich. Denn einerseits verleitet Alkohol zu „riskanten Entscheidungen“, andererseits verlangsamt er die ohnehin beeinträchtigte Reaktionsgeschwindigkeit.

Deshalb muss das Fazit sein: Wer die Fürsorge für Säuglinge und Kinder hat, sollte in dieser Zeit auf den Konsum von Alkohol verzichten!

In einer Notfallsituation ist für das Kind wichtig, dass Eltern die richtigen Handgriffe beherrschen und dabei Ruhe und Sicherheit ausstrahlen. Denn die Ruhe, die das Kind bekommt, hat nicht nur einen emotionalen Effekt, sondern stabilisiert auch das Herzkreislaufsystem.  Damit dies gelingt ist der Online Erste Hilfe Kurs perfekt.

Du kannst die einzelnen Themen so oft wiederholen wie du möchtest. Du kannst mit deiner eigenen Trainigspuppe die Erste Hilfe so lange und so oft üben, bis du darin routiniert bist.  So wirst du im Notfall alles richtig machen.

Hilfe zum Verzicht

Sollte es dir schwerfallen, in der Schwangerschaft (bzw. der Stillzeit) auf Alkohol zu verzichten: Scheue dich nicht, dir Unterstützung zu holen! Das muss dir keinesfalls unangenehm sein. Sich helfen zu lassen ist mutig und zeigt Verantwortungsbewusstsein für das Baby. 

Jede Schwangerschaftsberatungsstelle wird dir helfen, abstinent zu werden bzw. zu bleiben. Auch Suchtberatungsstellen sind dafür gute Anlaufpunkte. Außerdem bietet die online Plattform IRIS der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ein qualitätsgeprüftes Programm speziell für Schwangere, um mit dem Konsum von Alkohol oder/und dem Rauchen aufzuhören. Die Nutzung dieses Angebots ist kostenlos und anonym mit persönlicher psychologischer Begleitung bzw. Beratung per Chat. Eine gute Ansprechpartnerin kann aber auch deine Hebamme sein, die dir zu deiner Unterstützung ggf. Kontaktstellen der Frühen Hilfen nennen kann. 

Noch ein Appel an das Umfeld der Mütter zum Umgang mit Alkohol

Damit eine Schwangere bzw. eine stillende Mutter mit dem Verzicht auf Alkohol und Rauchwaren gut klarkommt, ist auch die Unterstützung ihres gesamten Umfeldes von enormer Bedeutung. Deshalb:

Liebe Partner/ Partnerinnen, seht davon ab, in Gegenwart eurer schwangeren oder stillenden Frau/Freundin selbst Alkohol zu trinken und bestärkt sie in ihrer Abstinenz. Am besten verzichtet ihr gleich zusammen mit ihr auf alkoholische Getränke. Das macht es für alle Beteiligten einfacher und stärkt euer Verantwortungsgefühl der gemeinsamen Elternschaft. Dazu gehört auch, eure Frau/Freundin zu ermutigen, sich ggf. bei der Abstinenz von fachlicher Seite unterstützen zu lassen.   

Liebe Angehörige, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Arbeitskolleg*innen, auch ihr solltet die (werdende) Mutter in jeder Form bestärken und unterstützen, auf Alkohol gänzlich zu verzichten. Lobt sie dafür. Bietet ihr bei keiner Gelegenheit ein Schlückchen an und greift in ihrer Gegenwart am besten auch selbst nicht zu Alkohol. Damit leistet ihr einen wertvollen Beitrag für die Gesundheit des Kindes. 

Liebe sonstige Mitmenschen, seid allgemein kritisch gegenüber dem Umgang mit Alkohol in unserer Gesellschaft. Und tragt euer Wissen über die enormen Risiken für das ungeborene oder gestillte Kind durch Alkoholkonsum der Mutter in die Welt hinaus. Damit keiner Schwangeren mehr ein Gläschen aufgenötigt wird und auch so ungesunde „Ratschläge“, wie sie sich Stella anhören musste, irgendwann ganz verschwinden. 

Autorenbox

Katharina Jeschke

Katharina Jeschke

Gründerin von elternundbaby.com und Hebamme

Als Geburtshausleiterin, Hebamme und Mutter unterstütze ich Frauen dabei ihre Herausforderung während, vor und nach der Schwangerschaft besser zu bewältigen.

Um noch mehr Frauen zu erreichen, startete ich elternundbaby.com. Ich freue mich darauf, dich hier begrüßen zu dürfen.