Immer mal wieder erreichen mich auch Fragen von Eltern, wie der Abschied von der Windel erfolgreich gelingen kann. Wenn der erste Geburtstag hinter der Familie liegt, beschäftigt manche Mütter und Väter die sinngemäße Frage: „Wann wird es Zeit, mein Kind zumindest schon mal mit dem Töpfchen vertraut zu machen?“ 

Hier möchte ich mit euch ein paar grundsätzliche Informationen zum Thema Trockenwerden teilen. Dabei ist mir wichtig, euch bereits vorweg zu sagen: Mit Druck erreicht ihr in dieser Angelegenheit gar nichts! Im Gegenteil: Weil Druck eure Kinder nur verunsichert, geht die Sache– im wahrsten Sinne des Wortes – erst recht in die Hose. 

Der natürlichen Entwicklung ihren Lauf lassen

Von der Windel aufs Töpfchen bzw. die Toilette „umzusteigen“, ist ein ebenso natürlicher Entwicklungsschritt wie beispielsweise das Laufen lernen oder Sprechen lernen. Entsprechend bedeutet das: Manche Kinder fangen früher damit an, andere später. So entwickelt sich jedes Kind auch beim Abschied von der Windel in seinem ganz eigenen Tempo. Daran ändern weder Belohnungen und Lob noch Schimpfen oder Drängen etwas. Ihr kennt ja sicherlich den alten Spruch: Das Gras wächst nicht schneller, auch wenn man daran zieht. 

Kinder durchlaufen einen körperlichen Reifeprozess, bis sie ihre Blase und den Darm kontrollieren zu können. Zunächst müssen sich nämlich die entsprechenden Nervenverbindungen ausbilden, um die Zusammenarbeit des Gehirns mit der Blase bzw. dem Darm zu koordinieren. Das heißt, im Gehirn muss das Signal ankommen: die Blase/der Darm ist voll. Das muss dann richtig eingeordnet werden: bitte entleeren. Darüber hinaus muss auch die entsprechende Handlung umgesetzt werden (können): auf die Toilette oder das Töpfchen gehen. Das fordert vom Kind wiederum, seinen Schließmuskel und Beckenboden so lange anzuspannen und den Harn bzw. Stuhl noch so lange zurückzuhalten, bis es tatsächlich auf dem „Thron“ sitzt und es „laufen lassen“ kann. 

Dein Kind muss also lernen, sehr komplexe Vorgänge zu beherrschen, die für ältere Kinder und uns Erwachsene bei der Wahrnehmung „Ich muss mal“ ganz selbstverständlich sind und automatisch funktionieren. 

Viele Kleinen sind anfangs geradezu überrascht, wenn sie – ohne Windel – plötzlich ein Bächlein wahrnehmen, das zwischen ihren Beinen rinnt. Super saugfähige Windeln machen es Kindern etwas schwerer, zu spüren, dass „da unten etwas kommt“. So ist es schon ein großer Schritt, wenn Kinder Bescheid geben, dass ihre Windel voll ist oder wenn sie sich bewusst in eine ruhige Ecke zurückziehen, um ihr „großes Geschäft“ in der Windel zu erledigen. 

Einen – wie ich finde sehr eindrucksvollen – Beleg dafür, dass der natürliche Reifeprozess fürs Trockenwerden nicht steuerbar ist, lieferte eine Schweizer Langzeitstudie. Daran war auch der berühmte Schweizer Kinderarzt und Buchautor Remo Largo beteiligt. Die Forschenden verglichen in einem Zeitraum von rund 30 Jahren, ob und wie sich das sogenanntes „Töpfchentraining“ darauf auswirkt, wann Kinder trocken werden. 

In der Mitte der 1950er Jahren war es nämlich noch üblich, beim Kind bereits kurz vor Ende seines ersten Lebensjahrs mit der „Sauberkeitserziehung“ zu beginnen. Damals wurden 96 Prozent aller Kleinen regelmäßig aufs Töpfchen gesetzt. Mit diesem „Training“ hoffte man sie zu lehren, dass sie dort ihr Geschäft zu verrichten haben. Dabei spielte sicherlich auch der Umstand eine Rolle, dass noch keine modernen Waschmaschinen in die Haushalte Einzug gehalten hatten. Und Wegwerfwindeln gab es auch noch nicht. 

Gegen Ende der 1970er bzw. Anfang der 1980er Jahre erfolgte dann die nächste Forschungswelle: Da mussten sich dann nur noch 20 Prozent der Kinder kurz vor ihrem ersten Geburtstag dem „Töpfchentraining“ unterziehen. 

Nun kommt das Interessante an den beiden Erhebungen: Das Ergebnis fiel immer gleich aus! Ob mit oder ohne „Töpfchentraining“ waren die Kinder zu beiden Zeiten der Erhebungen jeweils mit durchschnittlich 28 Monaten trocken. Obwohl die beforschten Kinder aus den 1950er Jahren durchschnittlich 1.300 Mal öfter aufs Töpfchen gesetzt wurden als die kleinen Teilnehmer*innen knapp 30 Jahre später. Am Ergebnis änderte das nichts. 

Ich habe das so ausführlich geschildert, damit ihr wisst: Letztlich erspart ihr euch und vor allem euren Kindern eine Menge Stress und Enttäuschung, wenn ihr Ruhe bewahrt, der Entwicklung eures Kindes vertraut, auf seine Signale wartet und nicht versucht, vor seiner Zeit etwas zu erzwingen, zu dem es noch nicht bereit oder fähig ist. Und im Übrigen gilt: Kinder, die früher trocken sind als andere, sind deshalb nicht besser oder schlauer!

Dem Kind auf dem Weg zum trocken werden vertrauen

Etwa die Hälfte der Kinder wird heute in ihrem zweiten Lebensjahr zunächst tagsüber trocken. Bis zum vierten Geburtstag trifft das auf 90 Prozent aller Kinder zu. Und bis sie fünf Jahre alt werden, haben es dann regelmäßig alle geschafft. 

Sehr viele Kinder signalisieren ihren Eltern, wann sie bereit sind, sich von ihrer Windel zu verabschieden. Wie bereits erwähnt, beginnt das möglicherweise damit, dass eine volle Windel angezeigt und eine frische gewünscht wird. Ebenso kannst du darauf achten, wann dein Kind vermehrt Interesse am Töpfchen bzw. der Toilette bekundet. Vielleicht „muss“ ja das Lieblingskuscheltier oder die Puppe jetzt mal auf den Thron? Manche Kinder möchten aber auch gleich selbst gerne schon mal „probesitzen“. Zuerst geschieht das sicher angezogen – aber irgendwann folgt auch der Wunsch, es mit dem nackten Popo zu versuchen. Und wer jetzt keine Bodys mehr trägt, kann sich dafür auch leichter selbst aus- und anziehen. 

Viele Kleine erleben auch in der Familie mit und werden zunehmend neugierig darauf, was die Eltern oder auch ältere Geschwister auf der Toilette machen. Wenn sie einfach zugucken dürfen, wird der Toilettengang für sie nicht nur eine ganz normale Angelegenheit, sondern sie beobachten auch gleichzeitig dabei die entsprechenden Handgriffe. Manche Kinder möchten auch das Ergebnis betrachten und dann selbst die Spülung oder Toilettenbürste ausprobieren. 

Es kann auch sein, dass dein Kind beim Wickeln nicht mehr stillhalten will. Ich kenne einige Eltern, die dann angefangen haben, ihrem Kind im Stehen die Windel zu wechseln. Da fühlen sich die Kleinen gleich viel größer und finden es ganz prima, nicht mehr passiv „wie ein Baby“ dazuliegen. Dann könnte man auch damit beginnen, eine Verbindung zum Badezimmer herzustellen, indem das Wechseln der Windel nach und nach dorthin verlegt wird. 

Ob euer Kind auf einem Töpfchen oder auf der „richtigen“ Toilette (fürs entspannte Sitzen möglichst mit Sitzverkleinerung) übt, sein Geschäft zu verrichten, ist letztlich egal. Lasst euch auch da einfach von eurem Kind leiten, es spürt, was zu ihm passt und was es möchte. Manchen Zwergen ist auch das „große Loch“ anfangs noch etwas unheimlich, in das auf der Toilette die Ausscheidungen auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Sie fühlen sich vielleicht zunächst auf einem Töpfchen wohler. Andererseits berichtete mir eine Mutter, dass ihre zweijährige Tochter auf einer längeren Reise ihre Windel abgelegt hatte. Unterwegs gab es jedoch keine Alternativen zur normalen Toilette, also hat die Kleine auch stressfrei gelernt, damit ohne Windel zurechtzukommen. Eine andere Mutter erzählte mir wiederum, dass das „Trockenwerden“ für ihren Sohn fast bis zum dritten Geburtstag überhaupt kein Thema war. Und für sie auch nicht. Eines Tages fragte sie der Junge plötzlich mit großen Augen: „Mama, bin ich schon groß?“ Sie antwortet verblüfft: „Aber ja, das finde ich schon!“ Darauf der Kleine: „Dann will ich keine Windel. Ich geh jetzt aufs Klo.“ Sprachs, zog die Windel aus und war ab sofort trocken. 

Und wie bei allen Entwicklungsschritten ist es auch beim Abschied von der Windel so: Es klappt – aber anfänglich nicht an jedem Tag gleich gut. Auch hier macht Übung das Meisterlein! Ist das Kind in ruhiger und ausgeglichener Stimmung, so wird es ihm eher gelingen, rechtzeitig das Signal „Ich muss mal“ wahrzunehmen und es aufs Töpfchen oder auf den Toilettensitz zu schaffen. Ist es hingegen aufgeregt, erregt, wütend, voller überbordender Freude oder ganz ins Spiel vertieft, so kann das „Geschäft“ auch zwischendurch mal wieder ins Höschen gehen. Macht nichts. Dann gibt es einfach eine frische trockene Hose und weiter geht’s. Alles kein Grund für großes Tamtam! 

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Katharina Jeschke

Katharina Jeschke

Gründerin von elternundbaby.com und Hebamme

Als Geburtshausleiterin, Hebamme und Mutter unterstütze ich Frauen dabei ihre Herausforderung während, vor und nach der Schwangerschaft besser zu bewältigen.

Um noch mehr Frauen zu erreichen, startete ich elternundbaby.com. Ich freue mich darauf, dich hier begrüßen zu dürfen.