Wusstest du, dass dein Kind am Tag durchschnittlich 14.000 Schritt zurücklegt und dabei etwa 100 Mal hinfällt, bis es selbständig und sicher gehen kann? Zu diesem Ergebnis kam eine US-amerikanische Studie mit Kindern zwischen 12 und 19 Monaten. Babys legen also beim laufen lernen ein enormes Durchhaltevermögen an den Tag, um das Entwicklungsziel zu erreichen, das ihnen die Natur vorgegeben hat.
Die meisten Kinder beginnen um den ersten Geburtstag herum, ihre ersten freien Schritte zu machen. Für sie bedeutet das, sich auf den eigenen Füßchen fortzubewegen, ohne sich an Möbelstücken oder einer elterlichen Hand festzuhalten. Das genannte Alter ist jedoch nur ein Durchschnittswert. Denn jedes Kind entwickelt sich ganz individuell in seinem eigenen Tempo.
Also kein Grund zur Sorge, falls das Nachbarkind bereits durchs Zimmer flitzt, während ihm dein Kind noch begeistert hinterherkrabbelt. Es gibt echte Frühstarter, die bereits mit neun oder 10 Monaten zu laufen beginnen. Diese Bewegungsfans lassen sich dann aber oft mehr Zeit mit dem Sprechen lernen. Andere wiederum sind in Sachen Fortbewegung kleine Spätzünder und wagen erst mit 16 oder 18 Monaten ihre ersten freien Schritte. Dafür haben sie womöglich schon früh mit dem Sprechen begonnen. Beides gleichzeitig zu erlernen, gelingt kaum einem Kind – die allermeisten konzentrieren sich erst auf die eine und danach auf die andere Fähigkeit.
Mit 20 Monaten sollte dein Kind das eigenständige Laufen für sich jedoch entdeckt haben. Ist das nicht der Fall, so wird die Kinderärztin bzw. der Kinderarzt sicher untersuchen, welche Ursachen hinter der Verzögerung stecken könnte.
Kinder machen auch unterschiedliche Zwischenstationen, bis sie laufen können. Viele robben, krabbeln oder gehen im „Vierfüßlergang“ auf Händen und Füßen, bevor sie „auf die Beine kommen“. Andere rollen, kriechen oder rutschen auf dem Po. Und noch andere lassen solche Zwischenstufen wie das Krabbeln ganz aus und marschieren (an Mamas Hand) gleich los. Während das Alter, in dem bestimmte Bewegungsmuster erlernt werden stark schwankt, ist es wichtig, dass dein Kind die unterschiedlichen Bewegungsmuster in der richtigen Reihenfolge erlernt. Denn das hat einen Einfluss auf die körperliche Kraft und Gesundheit und auf die Fähigkeit mit Motivation und Frust beim Lernen umzugehen, der sich im weiteren Leben bemerkbar macht.
Das selbstständige Gehen ein komplexer Vorgang, der ein gutes Zusammenspiel verschiedener körperlicher Abläufe voraussetzt. Zuerst wird im Gehirn „geplant“, was gemacht werden soll bzw. zu tun ist. Dafür geben Nervenimpulse, die durch das Rückenmark laufen, die notwendigen Informationen bzw. Anweisungen an bestimmte Nervenzellen (Motoneuronen) in den entsprechenden Muskeln weiter. Das sorgt dann für die Ausführung des koordinierten Bewegungsablaufs. Daran sind außerdem Knochen, Bänder und Sehnen beteiligt. Man kann sich das wie lauter Zahnräder vorstellen, die ineinandergreifen müssen, damit das große Ganze funktioniert. Je reibungsloser diese Zahnräder miteinander arbeiten, desto besser und sicherer funktioniert das Laufen. Also gilt auch hier: Übung, Übung macht das Meisterlein!
Wie trainieren Kinder das Laufen?
Babys bereiten sich bereits im Bauch der Mutter darauf vor, eines Tages zu laufen. Das Ungeborene strampelt, tritt und rudert mit den Ärmchen. Etwa ab der 18. Schwangerschaftswoche merken das die werdenden Mütter in Form von ersten Kindsbewegungen. Ist das Kind geboren, endet der schwerelose Zustand im Fruchtwasser, jetzt regiert die Schwerkraft. Die Muskulatur von Neugeborenen ist jedoch noch schwach und ihre Bewegungen beim Strampeln noch spontan und unkontrolliert.
Erst im Alter von circa drei Monaten werden die Bewegungen gezielter. Jetzt beginnt das Baby auch, sein Köpfchen zu heben und selber zu halten. Es entdeckt seine Hände und später auch die Füße. Sie werden geleckt, befingert, mit dem Mund erforscht. Das Kind beginnt seine Körperkoordination mit den entferntesten Stellen seines Körpers. Das Drehen wird vorbereitet, indem sich das Baby streckt, räkelt und zusammenzieht. So lernt es die Drehung auf die Seite.
Bald kann es sich vom Rücken auf den Bauch drehen. So trainiert das Kleine seine Muskeln an Beinen, Nacken und Rücken, denn wer laufen möchte, benötigt kräftige „Muckis“ nicht nur in den Beinchen.
Langsam beginnt das Baby jetzt auch, immer gezielter nach Gegenständen zu greifen, die ihm hingehalten werden. Mit der Zeit klappt das besser und besser. Mit sieben bis acht Monaten versuchen Kinder auch nach Sachen gezielt zu greifen, die sie außerhalb ihrer Reichweite sehen. Dabei ist auch das Greiftraining eine wichtige Grundlage zum Laufen lernen. Denn um sich ab acht oder neun Monaten an Möbelstücken oder Hosenbeinen hochzuziehen, müssen Kinder sicher greifen und sich festhalten können.
Spannende Gegenstände, die nicht in Babys Reichweite sind, eigenständig erreichen zu wollen, weckt auch die Motivation, sich fortzubewegen. Mittels Rollen, Rutschen, Robben bzw. später auch durch Krabbeln entwickelt jedes Kind die Technik zur Fortbewegung und schult dabei seine Motorik. Das bereitet es auf die ersten Schritte vor. Auch dabei ist das Entwicklungstempo ganz individuell.
Wenn Babys dann ab acht Monaten selbständig aufrecht sitzen können, ist ein weiterer Grundstein gelegt: eine körperliche Glanzleistung, die ganz neue Perspektiven eröffnet – im wahrsten Sinne des Wortes. Dem aufrechten Gehen ist das Kind nun wieder ein Stück nähergerückt.
Nach dem Greifen, Fortbewegen und Aufrichten steht das Kind vor einer weiteren Herausforderung auf dem Weg zum selbstständigen Laufen: Es muss lernen, das Gleichgewicht halten. Das ist gar nicht so einfach! Doch Kinder üben mit Ausdauer und Begeisterung. Zunächst stehen sie mit beiden Händen am Stuhl, Schrank o. ä., an dem sie sich hochgezogen haben. Wenn sie sich auf ihren Beinchen sicher genug fühlen, beginnen sie, Schritte am Möbelstück entlang zu machen – aber immer schön mit beiden Händen festhalten. Sich nur mit einer Hand festzuhalten, etwa um mit der anderen nach einem Spielzeug zu greifen, mit dem der Papa lockt, erfordert weitere Balance. Kinder lieben es jetzt auch, Gegenstände wie beispielsweise eine Kiste, ihren Spielebogen oder einen Lauflernwagen vor sich her zu schieben und damit durchs Zimmer zu laufen.
Plötzlich gelingen dann irgendwann die ersten freien Schritte, etwa um zu Mama oder zu Papa zu kommen. Auch wenn diese ersten Schritte zunächst noch recht unsicher und wackelig wirken, hat das Kind damit einen bedeutenden Meilenstein in seiner Entwicklung erreicht.
Für die Kleinen eröffnet sich damit eine ganz neue Welt. Sie können sich jetzt eigenständig und flott fortbewegen und haben dazu die Hände frei. Das gibt ihnen die Möglichkeit, etwas in der Hand mitzunehmen oder etwa den Lieblingsball zu holen. Begeistert üben und erproben die Kinder nun das Laufen immer und immer wieder. So gewinnen sie mit jedem Schritt zunehmend mehr Sicherheit. Dabei ist für sie von Vorteil, wenn sie sich auf verschiedenen Untergründen bewegen: Weiche Teppiche, glatte Fliesen, festes Laminat, kitzeliger Rasen oder krümeliger Sand sorgen nicht nur für Sinneserfahrungen, sondern auch für stetig wachsende Sicherheit beim Gehen.
Jetzt wird es höchste Zeit für Eltern, die Wohnung kindersicher zu machen! Mehr dazu liest du hier. In meinem Online-Erste-Hilfe-Kurs zeige ich dir, wo und wie du Gefahren für dein Kind findest und vermeidest, ohne dabei seine Entwicklung zu beeinträchtigen.
So kannst du dein Kind beim laufen lernen unterstützen
Die größte Hilfe bist du für dein Kind, wenn du Vertrauen hast, dass es seine Entwicklungsaufgabe „Laufen lernen“ erfolgreich meistern wird. In seinem Tempo, mit seinen Gegebenheiten. Dazu gehört es auch, das Hinfallen zu üben. Und ja, manchmal gibt das dann die eine oder andere Beule auch in einer noch so kindersicheren Wohnung. Davor kann und sollte man jedoch kein Kind beschützen. Erspare dir also überflüssiges „Sicherheitsequipment“, indem du deinem Kind Polsterungen in Käferform o. ä. auf den Rücken schnallst, die im Handel angeboten werden. Mit seinen Fähigkeiten sowie deiner verlässlichen Nähe und liebevollen Ermutigung ist dein Kind bestens ausgerüstet.
Dein Kind benötigt auch keine speziellen „Lauflernschuhe“. Laufen lernen Kinder nämlich nicht durch spezielle Schuhe, sondern durchs Ausprobieren und Üben. Am gesündesten laufen kleine Füße nackt oder in Socken mit rutschfesten Gumminoppen unter der Sohle („Stoppersocken“). Daneben beliebt sind auch sogenannte „Krabbelschuhe“, eine Art weiche „Mini-Mokassins“ komplett aus geschmeidigem Leder. So werden Muskeln und Gleichgewicht am besten trainiert und gestärkt. Kleine Laufanfänger spüren mit einer nur dünnen und flexiblen Sohle auch besser ihren Untergrund. Früher nahm an, der Kinderfuß benötige einen Schuh mit fester Form und Sohle, um besseren Halt zu haben. Diese Annahme hat sich jedoch als falsch herausgestellt.
Übrigens: Wenn dann irgendwann das erste Paar „richtige“ Schuhe ansteht, offerieren kompetente und erfahrene Verkäuferinnen/Verkäufer nicht sofort ein Paar, sondern schauen sich erstmal an, wie das Kind läuft. Erst dann können sie nämlich beurteilen, ob es tatsächlich schon in „richtigen“ Schuhen gut aufgehoben ist, oder ob ihr damit doch lieber noch etwas warten solltet.
Was auch noch unbedingt betonen will: Hände weg von sogenannten „Lauflernhilfen“ (auch als „Gehfrei“ oder „Babywalker“ bekannt). Gemeint sind jene Gestelle auf Rollen, bei denen das Kind in einer Art Sitz steckt und mit den Füßen den Boden berühren kann, um sich so rollend fortzubewegen. Auf diese Art kann das Kind ordentlich Tempo aufnehmen, was etwa an Kanten oder Treppenabsätzen bereits zu gefährlichen Unfällen geführt hat. Außerdem gewöhnen sich die Kleinen darin schnell an, sich mit Schritten auf Zehenspitzen fortzubewegen. Der anatonmisch korrekte Bewegungsablauf sieht jedoch vor, den Fuß über die Ferse von hinten nach vorne abzurollen. Zudem hat das Kind halb sitzend keine Möglichkeit, sein Gleichgewicht zu trainieren, da es ja sein volles Eigengewicht nicht spürt und nicht vollständig tragen muss.
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Katharina Jeschke
Gründerin von elternundbaby.com und Hebamme, zertifizierte Erste Hilfe Trainerin, zertifizierte Schlafcaochin für Babys und Kinder
Als Hebamme, Schlafcoachin für Babys und Kinder, sowie als Erste Hilfe Trainerin unterstütze ich Frauen und Eltern dabei Schwangerschaft, Geburt und die Zeit als Eltern gut und entspannt zu gestalten. Ich bin selbst Mama von zwei bezaubernden Kindern.
Kinder sollen sicher und geborgen wachsen können. Dafür brauchen sie starke Eltern, die mit Wissen und Intuition die Entwicklung ihrer Kinder begleiten. Meine Hebammenhilfe soll Eltern das Wissen und Vertrauen geben, das sie ihren individuellen Weg finden und gehen können.
Dieser Blog elternundbaby.com ergänzt meine online Hebammensprechstunde und meine online Kurse von notdiensthebamme.de