Kürzlich traf ich eine Mutter wieder, die mir ganz begeistert vom ersten bewusst gesprochenen Wort ihres Söhnchen erzählte: ein bilderbuchmäßiges „Ma-ma“ kurz nach seinem ersten Geburtstag.
Es gibt aber auch Kinder, die sich noch kurz vor ihrem zweiten Geburtstag in lautes Schweigen hüllen. Aber keine Angst, das ist kein Grund zur Sorge! Kleine Spätzünder im Sprechen sind keineswegs „weniger schlau“ als plappernde Frühstarter. Das Sprechen lernen ist nämlich genauso individuell wie das Laufen lernen – und sie beginnt bereits in Mamas Bauch.
Schon während der Schwangerschaft ist das Baby umgeben von Geräuschen, die es ab der 24. Schwangerschaftswoche hören kann. So dringen beispielsweise das Rauschen von Mamas Blut, ihr Herzschlag und ihre Stimme an seine Ohren. Dabei nehmen Kinder bereits die Sprachmelodie ihrer Muttersprache auf – und wenden diese nach der Geburt an. Ein Forscherteam hat herausgefunden, dass Babys sogar in der ihnen vertrauten Klangmelodie ihrer Muttersprache weinen! Ist das nicht faszinierend?
Die wichtigste Voraussetzung fürs Sprechen lernen ist daher, hören zu können. Das bedeutet: Wenn Schallwellen an unsere Ohren dringen, nehmen die Ohren diese auf und wandeln sie in bestimmte Signale um. Der Hörnerv transportiert diese Signale dann ins Gehirn, wo sie entsprechenden verarbeitet und letztlich als Sprache wahrgenommen und verstanden werden. In diesen Prozess sind auch Hirnbereiche eingebunden, die für das Sprechen notwendig sind. Nur wer hören kann, ist auch in der Lage, die gesprochene Sprache in seinem Umfeld wahrzunehmen und sie nachzusprechen.
Kann ein Neugeborenes dagegen nur eingeschränkt oder gar nicht hören, so wird es später auch nur schwer Sprachlaute bilden können. Seine ganze Sprachentwicklung ist dann entweder stark beeinträchtigt oder findet gar nicht statt. Um dem ggf. bestmöglich und frühzeitig entgegenzuwirken, gehört das Neugeborenen Hörscreening zwischen dem zweiten und vierten Lebenstag zu den Standard-Untersuchungen nach der Geburt.
Sprachentwicklung im ersten Lebensjahr
Babys lauschen gebannt den Stimmen und Geräuschen um sie herum zu. Wenn Eltern mit ihrem Neugeborenen sprechen, geben die vertrauten Stimmen dem Kind ein Stück Sicherheit. Das Gesagte kommt jedoch erstmal nur als eine bunte Reihe von endlosen Lauten bei ihm an. Doch bereits nach etwa drei Monaten kann dein Baby nicht nur Anfang und Ende von Wörtern erkennen, sondern bereits grammatische Formen. Natürlich weiß es da noch nichts über die eigentliche Bedeutung der Worte – wohl aber einiges darüber, ob sie „gut“ oder „böse“ gemeint sind.
Bereits mit vier Monaten können die Kleinen dann heraushören, wie die Worte „Mama“ und „Papa“ klingen. Und sie erkennen den Klang ihres eigenen Namens wieder. Sie hören auch heraus, wenn jemand in ihrer Muttersprache spricht.
Wichtig: Schau dein Baby möglichst immer an, wenn du mit ihm sprichst! Sicher hast du dich dabei auch schon „ertappt“, dass du aus nächster Nähe zum Kind in höherer Tonlage und langsamer redest als sonst – und dabei die einzelnen Worte lang auseinanderziehst und oft wiederholst. „Wo sind denn deine süßen Füßchen? Na da sind die süßen Füßchen ja!“ Bei solchen Unterhaltungen spiegeln wir mit unserem Gesichtsausdruck Babys momentane Emotionen wieder. Zugleich signalisieren wir mit unserer Stimmlage und Mimik dem Kind automatisch, wie wir etwas gemeint haben – nämlich lustig oder zärtlich zum Beispiel. Das ist wirklich prima!
Intuitiv verfallen Eltern in diesen sogenannten Babytalk. Diese Art zu reden ist genau passend, um das Verständnis und Interesse des Kindes für die Sprache und das Sprechen zu unterstützen. Dein Kind wird ganz sicher darauf reagieren. Dabei „spricht“ es noch ohne Worte zu dir, etwa durch Mimik oder Laute. Oder auch durch Weinen. Das Weinen ist seine erste Sprache und Art, den Eltern mitzuteilen, dass irgendwas nicht stimmt (müde, hungrig, volle Windel, zu viele Eindrücke etc). Viele Eltern lernen schnell, die unterschiedlichen Tonlagen beim Kind heraushören und darauf angemessen zu reagieren.
Mit zunehmenden Wochen liebt es dein Baby immer mehr, mit der eigenen Stimme zu experimentieren. Es findet z.B. heraus, dass sich die kleine Zunge rollen lässt oder sich die Lippen spitzen lassen und es dabei unterschiedliche Töne produzieren kann. Dabei testet es mit wachsendem Vergnügen laut und leise, es lallt, kräht, schnalzt, schmatzt und prustet mit Begeisterung.
So lernen Babys, ihre Muskelbewegungen (Sprechwerkzeuge) stärker zu kontrollieren und zur eigenen Freude gezielter Laute von sich zu geben. Wenn die Eltern „antworten“ und etwa erzählen, was gerade passiert, macht das Ganze noch mehr Spaß und fördert auch die Sprachentwicklung („Oh, da ist ja Tante Karin.“ – „Jetzt gibt’s eine frische Windel, mein Schatz.“ etc.).
Je älter dein Kind wird, desto mehr „erzählt“ es dir etwas. Ab sechs Monaten auch gerne in Doppelsilben (dada, gugu). Mit etwa acht Monaten beginnen die Kleinen, Laute mit bestimmten Dingen oder Situationen zu verbinden. Immer wenn es das grüne, rollende Ding sieht, sagt Papa „Da ist der Ball“. Das heißt, sie verstehen langsam die Bedeutung einzelner Worte, auch wenn sie sie noch nicht selbst sprechen. Das lässt sie auch beispielsweise kleine Aufgaben verstehen („Hol den Ball“). Und das Kind krabbelt fröhlich auf den Gegenstand zu und strahlt.
Sprechen lernen im zweiten Lebensjahr
Meistens um den ersten Geburtstag herum ist es dann soweit: Das erste „richtige“ Wort lässt Elternaugen aufleuchten. Dein Kind benennt immer mehr Dinge in seinem Umfeld, die es sieht, die es gerade macht oder die es hört. Dabei können diese sogenannten Einwortsätze eine Mitteilung, eine Frage oder auch eine Aufforderung sein. So kann „Papa!“ heißen: „Ich möchte mit Papa spielen.“ oder „Da hinten sitzt Papa.“ oder „Kommt Papa bald?“ Oft erfordert es also von Eltern etwas Fingerspritzengefühl dafür, was nun gemeint ist. Darauf etwas erwidern ist Ehrensache: „Ja, Papa spielt mit dir.“ – „Stimmt, da hinten sitzt Papa.“ – „Ja, der Papa ist bald da.“
Außerdem ordnet dein Kind jetzt gleiche Eigenschaften auch anderen Sachen zu. Vielleicht hat es verstanden, dass das große Tier mit den vier Beinen eine Kuh ist: „Muuuh“. Also können auch Pferde, Schafe und Esel „Muuuh“ sein. Oder alles, was vier Räder hat, ist ein „Auto“. Mit zum Wortschatz gehören auch sogenannte Protowörter. Das sind eigene Wortschöpfungen der Kinder, die sich nicht aus der Bezeichnung des gemeinten Gegenstandes ableiten lassen. Ich erinnere mich dabei gut an das zweijährige Töchterchen einer meiner Schwangeren, die ich begleitet habe. Bei der Kleinen hieß das heißgeliebte Kuscheltuch „Nunu“.
Mit 18 Monaten sprechen die meisten Kinder etwa 50 Wörter (manche mehr, manche weniger). Die Sprachentwicklung schreitet rasant voran. Aus den Einwortsätzen werden Zwei- und Dreiwortsätze („Ball pielen“ – „Maja Ball pielen“). Dabei benutzen die Kinder auch zunehmend unterschiedliche Wortarten, also Substantive, Verben und Adjektive. Schnell kann der Wortschatz um die 200 Worte umfassen.
Etwa ab dem zweiten Geburtstag gelingen auch schwierigere Konsonantenverbindungen wie beispielsweise „kl“ oder „sch“. Wurden Verben anfangs meistens in der Grundform ans Satzende gestellt („Oma Hause gehen“), benutzen Kinder sie jetzt zunehmend an der richtigen Stelle im Satzbau.
Tipp: Bitte korrigiert eure Kinder nicht, wenn sie ein Wort falsch aussprechen oder die falsche Grammatikform benutzen! Wiederholt einfach den Satz mit der richtigen Verwendung. Auf die Bitte „Bane haben“ könnte eure Antwort dann heißen: „Okay, du möchtest eine Banane haben.“
Wer krabbeln oder laufen lernt, möchte diese neue Fähigkeit natürlich auch begeistert anwenden. Das ist beim Sprechen lernen nicht anders. Du kannst dein Kind dabei vielfältig unterstützen, indem du ihm viel Aufmerksamkeit schenkst, so viel wie möglich mit ihm sprichst und es dabei direkt anschaust. Denn wie gesagt: Auch dein Gesichtsausdruck, der deine Worte begleiten, verrät dem Kind viel über das Gesprochene.
Du kannst ihm auch etwas vorsingen oder Fingerreime abzählen. Kinder lieben es, gemeinsam Bilderbücher anzuschauen und zu entdecken, was darin alles zu sehen ist oder Geschichten vorgelesen zu bekommen. Solche Sprechanlasse fördern nicht nur die kindliche Sprachentwicklung, sondern bedeuten „nebenbei“ auch noch wichtige gemeinsame Zeit mit Mama oder Papa!
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Katharina Jeschke
Gründerin von elternundbaby.com und Hebamme, zertifizierte Erste Hilfe Trainerin, zertifizierte Schlafcaochin für Babys und Kinder
Als Hebamme, Schlafcoachin für Babys und Kinder, sowie als Erste Hilfe Trainerin unterstütze ich Frauen und Eltern dabei Schwangerschaft, Geburt und die Zeit als Eltern gut und entspannt zu gestalten. Ich bin selbst Mama von zwei bezaubernden Kindern.
Kinder sollen sicher und geborgen wachsen können. Dafür brauchen sie starke Eltern, die mit Wissen und Intuition die Entwicklung ihrer Kinder begleiten. Meine Hebammenhilfe soll Eltern das Wissen und Vertrauen geben, das sie ihren individuellen Weg finden und gehen können.
Dieser Blog elternundbaby.com ergänzt meine online Hebammensprechstunde und meine online Kurse von notdiensthebamme.de