Rund 5 bis 7% aller Kinder in Mitteleuropa schielen in behandlungsbedürftiger Form. 

Erkennbar ist das in der Regel schon bei Säuglingen. Denn der Silberblick ist gut abzugrenzen von der anfänglichen Schwierigkeit der Babys den Blick zielgerichtet zu lenken, zu fokussieren. 

„Ach wie süß – unser Timmy hat ja einen richtigen kleinen Silberblick!“ Die Großeltern von Tim sind ganz verzückt von ihrem vier Monate alten Enkel. Ein „kleiner Silberblick“? Klingt irgendwie nett und wirkt vielleicht bei so einem Zwerglein auch mal niedlich. Tatsächlich darf das Schielen eines Babys jedoch keineswegs auf diese Weise verharmlost werden. Weil es hierbei nämlich nicht nur um einen kleinen Schönheitsfehler geht, lautet die einheitliche Empfehlung: Holt euch sofort kinderärztlichen Rat ein, wenn ihr auch nur den leisesten Verdacht habt, dass euer Kind schielen könnte!

Ein leichter Strabismus (Fachbegriff fürs Schielen) wird wie bei Timmy gern liebevoll als „kleiner Silberblick“ bezeichnet. Doch genau der gehört unbedingt in ärztliche Kontrolle, damit daraus kein Dauerproblem wird! 

Die Behandlungsmöglichkeiten und deren Erfolgsaussichten sind beim Schielen ausgesprochen gut, um dauerhafte Sehschwächen zu vermeiden. So wird in über 90% der Fälle das Schielen geheilt und unter anderem eine dauerhafte Weitsichtigkeit vermieden. Auch dabei gilt: Je früher, desto besser. Deshalb steht bei den Vorsorgeuntersuchungen in deiner Kinderarztpraxis auch die Kontrolle der Augen deines Kindes stets mit auf dem Plan. Gegebenenfalls werden kleine Patient*innen dann in die Augenarztpraxis überwiesen.

Warum schielen Babys?

Bei sehr jungen Babys ist es wie gesagt zunächst noch nicht ungewöhnlich, dass sie schielen. Schließlich müssen sie noch regelrecht das Sehen lernen. Das bedeutet: Die Verbindung zwischen den Augen und dem Gehirn, wo die eingehenden Sinnesreize in Bilder verarbeitet werden, wird stetig „ausgebaut“. Die Augenmuskeln sind jedoch bereits voll entwickelt und erlauben dem Baby, seine Augen in alle Richtungen zu bewegen. 

Wenn ein Baby schielt, ist die Muskelkoordination beider Augen, die sich auf dieselbe Sache richten, beeinträchtigt, weil das Gehirn fehlerhafte Signale an die Augen sendet. Schaut das Kind also einen Gegenstand an, wird dieser von nur einem Auge betrachtet, während das andere Auge „abwandert“ (meistens nach innen, aber auch nach außen). Das kann konstant passieren oder auch immer mal wieder zwischendurch. 

Auf diese Weise kann das Gehirn aus den empfangenen Reizen jedoch kein einheitliches dreidimensionales Bild zusammensetzen. So entstehen zwei Bilder: eines, das das fixierende Auge liefert, und ein anderes, das das „abgewanderte“ Auge erzeugt. Weil solche Doppelbilder das Gehirn auf Dauer wiederum durcheinanderbringen, beginnt es, die Bilder, die aus den gelieferten Impulsen des schielenden Auges entstehen, zu unterdrücken. Salopp gesagt: Das Gehirn ignoriert also das abgewanderte Auge und schließt es vom Sehvorgang einfach aus. Damit hat dieses Auge allerdings nichts mehr zu tun und verlernt nach und nach das Sehen. In der Fachsprache sagt man, dieses Auge wird „schwachsichtig“. In dem Fall hilft dann auch keine Brille mehr. So bleibt dem Kind nur noch ein „richtig“ arbeitendes Auge. Damit ist ihm dreidimensionales Sehen, das auch später in vielen Situationen und Berufen aber wichtig ist, nicht mehr möglich. Denn für dreidimensionales Sehen benötigt das Gehirn nämlich zwei gleiche Bilder, die es übereinanderlegen kann.

Welche Ursachen hat Schielen?

Wie bereits erwähnt, kann es vorkommen, dass sehr junge Babys manchmal grundlos schielen. Für diese Fehlfunktion sind aber auch verschiedene Ursachen möglich, die sich jedoch oft nicht eindeutig ausmachen lassen. Häufig ist das Kind weitsichtig. Dann gibt das Gehirn den Befehl an die Augenmuskeln, die Linse stärker zu krümmen, um scharf zu sehen. Dabei drehen sich jedoch beide Augen nach innen. 

Möglicherweise sind auch eine Virusinfektion oder Entwicklungsstörungen der Auslöser fürs Schielen. So sollten beispielsweise gerade Babys nach einer Frühgeburt auf Schielen bzw. Fehlsichtigkeit untersucht werden. Umgekehrt wird deine Kinderärztin/dein Kinderarzt bei schielenden Kindern ein besonderes Augenmerk auf etwaige Entwicklungsverzögerungen werfen.

In seltenen Fällen können auch ein angeborener grauer Star, also eine Linsentrübung, oder ein Tumor als Ursache für das Schielen in Frage kommen.  

Darüber hinaus kann Schielen vererbt werden. Mit zwei schielenden Elternteilen liegt die Wahrscheinlichkeit bei 50 Prozent, dass ihr Baby ebenfalls schielen wird.

Wann mit schielendem Baby kinderärztlichen Rat einholen?

Sollte dein Baby jünger als sechs Monate sein und nur ab und zu etwa nach dem Aufwachen schielen, so ist das erstmal noch kein Grund zur Sorge. Denn wie gesagt: Oft geschieht das ohne Grund. Anders sieht die Sache aus, wenn ein Kind in seinen ersten sechs Lebensmonaten konstant schielt, wenn es ein Frühchen ist, eine Entwicklungsstörung bei ihm vorliegt oder mindestens ein Elternteil schielt bzw. geschielt hat. Dann sollte ein Baby auch bereits mit drei Monaten in einer Augenarztpraxis vorgestellt werden. Dort kümmert sich regelmäßig eine Orthoptistin/ein Orthoptist um die schielenden Kleinen. Das sind Fachkräfte, die in Zusammenarbeit mit der Ärztin/dem Arzt u. a. auf die Untersuchung und Behandlung des Schielens spezialisiert sind.  

Ist das Baby älter als sechs Monate, sollte jederzeit auch beim Verdacht auf nur leichtes Schielen kinderärztlicher Rat eingeholt werden. Um es noch einmal zu betonen: Je früher Schielen bei Babys und Kleinkindern behandelt wird, desto größer sind die Heilungschancen. Und diese sind wie schon erwähnt sehr gut. Damit kannst du wichtige Weichen für das weitere Leben deines Kindes stellen. 

Wie wird Schielen bei Kindern behandelt?

Da Babys und sehr junge Kinder ja noch nicht oder kaum artikulieren können, was und wie sie etwas sehen, können darüber bestimmte orthoptische Tests Aufschluss geben. Je nach Alter des Kindes wird dabei einiges auch auf spielerische Art diagnostiziert.  

Sicher hast du bereits Babys oder Kinder gesehen, bei denen ein Auge abgeklebt war. Dann befindet sich das Kind in der schmerzfreien sogenannten Okklusionsbehandlung. Deren Ziel ist es, das schwächere, also das schielende Auge, zu stärken. Damit das gelingt, wird das normal funktionierende Auge stunden- oder auch tageweise abgeklebt. Dadurch wird das schwache Auge gezwungen, zeitweise das komplette Sehen übernehmen. Ziel ist es, beide Augen zusammen „auf Trab“ zu bringen. Die (tägliche) Dauer der Abklebung ist davon abhängig, wie alt das Kind ist und wie stark es schielt.

Manchmal wird die Okklusionstherapie mit dem Tragen einer Brille kombiniert. Je nachdem, wie stark das Schielen ausgeprägt ist, verkleinert oder korrigiert die Sehhilfe den Schielwinkel. Eine Brille kann auch zusätzlich eine möglicherweise bestehende Weitsichtigkeit ausgleichen. 

Ist das Schielen stark ausgeprägt, liegt also ein großer Schielwinkel vor, oder verursacht die Fehlfunktion Beschwerden, so kann auch eine Operation notwendig werden. Diese wird in Deutschland oft ein Jahr vor dem Schuleintritt durchgeführt, aber niemals schon vor dem zweiten Lebensjahr. 

Autorenbox

Katharina Jeschke

Katharina Jeschke

Gründerin von elternundbaby.com und Hebamme

Als Geburtshausleiterin, Hebamme und Mutter unterstütze ich Frauen dabei ihre Herausforderung während, vor und nach der Schwangerschaft besser zu bewältigen.

Um noch mehr Frauen zu erreichen, startete ich elternundbaby.com. Ich freue mich darauf, dich hier begrüßen zu dürfen.