Jahrzehnte galt Fencheltee als natürliches Mittel zur Linderung von Bauchschmerzen, Blähungen oder Husten sowie zur Beruhigung des Schreibabys. Deshalb wurde auch Säuglingen und Kleinkinder häufig Fencheltee verabreicht. Davor warnen die Wissenschaft und Kindermedizin jedoch ausdrücklich: Kinder sollten bis zu ihrem vierten Lebensjahr gar keinen Fencheltee erhalten. Und mit Blick aufs Kind sollten auch Schwangere sowie stillende Mütter darauf verzichten. Warum?

Weil in Fenchel Estragol enthalten ist. Dieser aromatische natürliche Bestandteil steckt nicht nur im ätherischen Öl des Fenchels bzw. in dessen Früchten, die für Tees verwendet werden, sondern beispielsweise auch in Basilikum, Muskatnuss, Anis oder Zitronengras. Das ist lange bekannt. 

Nicht neu ist auch die Vermutung, dass Estragol gesundheitliche Risiken bergen könnte. Deshalb hatte der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) der Europäischen Arzneimittelagentur EMA schon vor rund 20 Jahren sicherheitshalber davon abgeraten, Kindern unter vier Jahren Fencheltee zu verabreichen. Bereits damals lagen durch Tierversuche nämlich Hinweise darüber vor, dass sich Estragol in hoher Konzentration sowohl genotoxisch (das Erbgut verändernd) als auch karzinogen (krebserregend) auswirken kann. Für den empfindlichen Organismus von Säuglingen und Kleinkindern stufte der HMPC Fencheltee daher als zu risikoreich ein, zumal auch Belege für die positive Wirksamkeit von Fencheltee zum Beispiel bei Verdauungsproblemen fehlten. Bei Erwachsenen hingegen hielt der Ausschuss das Risiko damals für gering.  

Jetzt liegen neue toxikologische Untersuchungen zu Estragol vor. In der Folge sehr hoher verabreichter Dosen hatten Mäuse z.B. vielfach Lebertumore entwickelt. Der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel der EMA hält solche Auswirkungen nun auch beim Menschen für nicht ausgeschlossen und hat Ende 2023 aus Sicherheitsgründen deshalb eine neue – nämlich kritischere – Bewertung von Fencheltee (und auch Anistee) vorgenommen:

• Danach gilt nach wie vor: Kein Fencheltee für Kinder unter vier Jahren. Denn für die sichere Anwendung liegen für diese empfindliche Altersgruppe immer noch keine ausreichenden Daten vor. Laut den Kinderärzten im Netz will die Ema also prophylaktisch vermeiden, dass Babys und Kleinkinder schädliche Mengen Estragol zu sich nehmen – zumal ja u.a. auch noch in der Beikost und verschiedenen Kinderlebensmitteln Fenchel und damit Estragol enthalten sein kann.

In Zusammenhang mit der Estragol-Konzentration ist eine österreichische Übersichtsstudie 2017 auf eine weitere Unwegsamkeit gestoßen: Sie fand heraus, dass der Gehalt dieser Substanz in Fencheltees sehr stark schwankt. Es wurden am Markt zwar einige Fencheltees mit nur sehr wenig Estragol (78 µg je Liter) identifiziert – aber eben auch solche, die diesen Gehalt fast um das 60-fache überschritten (bis zu 4633,5 µg je Liter)! Bei Säuglingen, die Fencheltee erhielten, variierte die verabreichte Tagesdosis dementsprechend stark zwischen 0,008 µg/kgKG und Tag und 20,78 µg/kgKG und Tag. Das Zeichen µg bedeuten übrigens Mikrogramm. 

Welcher Grenzwert möglicherweise noch unproblematisch für die Kleinen ist, lässt sich jedoch nicht sagen. Fest steht hingegen: Fencheltee ist keineswegs immer gleich! Daher sollten ihn unter Vierjährige gar nicht und auch Kinder unter 11 Jahren nur ausgesprochen selten, sparsam und kurzzeitig trinken, rät die EMA. 

Zudem wird insbesondere Schwangeren sowie stillenden Mütter deutliche Zurückhaltung empfohlen beim Konsum von Fencheltee oder anderen Estragol-haltigen Lebensmitteln (z.B. Pesto mit viel Basilikum) und Arzneitees (auch: Anistee). Und auch das ist vorsorglicher Gesundheitsschutz fürs Kind. Denn tatsächlich lässt sich nur schwer berechnen, wieviel Estragol eine Frau z.B. mit ein paar Tassen Fencheltee aufnimmt. Das kommt nämlich ganz auf den Fencheltee an (vergl. die österreichische Studie) sowie auch auf seine Zubereitung (Wassertemperatur, Wassermenge, Dauer des Ziehenlassens). Dies alles bestimmt die Konzentration der im Tee gelösten Substanz mit. Einer ausgewachsenen Frau mag das Estragol nichts anhaben können – aber das (ungeborene) Baby ist ein Leichtgewicht, in der Entwicklung und noch dazu extrem empfindlich. Gelangt eine schädliche Menge Estragol dann über die Plazenta oder die Muttermilch zum Kind, kann das bisher nicht absehbare Folgen haben.

Mein Hebammenrat zum Fencheltee an verunsicherte Eltern

Angesichts dieser Nachrichten und Empfehlungen sind Eltern natürlich verunsichert. „Aber Fencheltee soll doch so gesund sein – wie kann er plötzlich in Verruf geraten?“ Entsprechend erreichen auch mich über meine Online-Hebammenberatung oder in meinen Kursen für Schwangere und Eltern immer wieder bange Fragen: „Ich habe meinem Baby auch schon Fencheltee gegeben. Wird es davon vielleicht geschädigt?“ – „Ich habe während der Schwangerschaft öfter Fencheltee getrunken. Ist das schlimm?“ – „Ich esse für mein Leben gern Pasta mit Basilikum-Pesto, stille aber auch noch. Jetzt mache ich mir fürchterliche Sorgen.“

Die Verunsicherung kann ich verstehen. Deshalb ist es mir wichtig darauf hinzuweisen: Sämtliche Empfehlungen des EMA-Ausschusses und auch der Kinderärztinnen und -ärzte sowie Hebammen, die sich den Empfehlungen vielfach angeschlossen haben, sind vorsorglichgegeben worden. Denn es liegen noch längst nicht genug belastbare wissenschaftliche Daten zu negativen Auswirkungen von Estragol auf kleine Kinder vor. Dazu muss erst noch mehr geforscht werden. Das gilt auch für die Frage, ob die Erkenntnisse, die in den Tierversuchen bisher gewonnen wurden, tatsächlich auf den Menschen übertragbar sind. Auch dazu weiß man bisher noch nichts.

Ihr könnt also ganz beruhigt sein. Trotzdem rate ich euch vorbeugend, den Empfehlungen der EMA zu folgen:

• Gebt euren Babys und Kleinkindern bis zum 4. Lebensjahr gar keinen Fencheltee (mehr). Säuglinge benötigen sowieso keine zusätzlichen Tees: Muttermilch oder die entsprechende Flaschennahrung sind völlig ausreichend! Erst wenn euer Kind überwiegend feste Nahrung (dreimal täglich) zu sich nimmt, solltet ihr ihm weitere Flüssigkeit anbieten – und dann natürlich am besten Wasser!

Auch wenn euer Kind Bauchweh bzw. Blähungen hat, sollte es keinen Fencheltee bekommen. Lest lieber hier auf meinem Blog nach, wie ihr eurem Zwerglein dann helfen könnt. Und versorgt euer Kind auch bei Unruhe und häufigem Weinen nicht mit Fencheltee, sondern besser mit ganz viel Liebe und Zuwendung! Dass dieses Rezept besonders wirksam (und dabei völlig unschädlich) ist, wurde schon vielfach bewiesen. Ergänzend hilft Babymassage, das liebevolle Abendritual, auch ganz wundervoll gegen Bauchschmerzen der Babys.

Und schließlich: Am besten kocht oder kauft ihr für das Baby auch keinen Brei, der Fenchel enthält, sicher ist sicher! 

• Schwangeren Frauen und stillenden Müttern empfehle ich ebenfalls, so selten wir möglich Tees und Nahrungsmittel zu sich zu nehmen, die Estragol enthalten. Eben weil man noch nichts Genaues weiß, seid ihr dann zumindest immer auf der sicheren Seite – und damit euer Kind auch! Klar ist der Verzicht auf Fencheltee oder Basilikum-Pesto während der Schwangerschaft und Stillzeit nicht schön, wenn gerade das zu deinen Lieblingsgetränken bzw. bevorzugten Speisen gehört. Aber denke immer daran: Du tust das für dein Baby! Und es ist ja auch nur für eine gewisse Zeit.

ZUR INFORMATION: Wer ist die EMA und was macht sie?

Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) schützt und fördert die Gesundheit von Mensch und Tier, indem sie Arzneimitteln innerhalb der Europäischen Union (EU) und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) bewertet und überwacht.

Zu den wichtigsten Aufgaben der EMA gehören die Zulassung und Überwachung von Arzneimitteln in der EU. Will ein Unternehmen ein Arzneimittel auf den Markt bringen, benötigt es dafür zuvor eine Genehmigung. Diese muss bei der EMA beantragt werden; erteilt wird sie dann ggf. von der Europäischen Kommission. Ist die Genehmigung ausgestellt, kann das betreffende Arzneimittel in der gesamten EU und im EWR verkauft werden. 

Auch der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) gehört zur EMA. HMPC ist die englische Abkürzung für Committee on Herbal Medicinal Products. Dieser Ausschuss bzw. dieses Komitee ist zuständig für die Zusammenstellung und Bewertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse über pflanzliche Stoffe, Zubereitungen und Kombinationen. In diesem Rahmen hat sich der HMPC mehrfach und aktuell wieder mit der Studienlage zu Estragol beschäftigt. So ist er zu seiner jüngsten Einschätzung und Empfehlung u.a. zum Konsum von Fencheltee gekommen.

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Katharina Jeschke

Katharina Jeschke

Gründerin von elternundbaby.com und Hebamme

Als Geburtshausleiterin, Hebamme und Mutter unterstütze ich Frauen dabei ihre Herausforderung während, vor und nach der Schwangerschaft besser zu bewältigen.

Um noch mehr Frauen zu erreichen, startete ich elternundbaby.com. Ich freue mich darauf, dich hier begrüßen zu dürfen.