
Die Bundesregierung will das Schwangerschaftskonfliktgesetz ändern bzw. ergänzen. Auf diese Weise sollen Schwangere, die im Konfliktfall in einer Einrichtung Beratung benötigen oder einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen wollen, wirksamer vor sogenannten Gesteigbelästigungen geschützt werden. Gleichzeitig soll die Gesetzesänderung auch die Mitarbeitenden der Einrichtungen besser schützen.
Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland gemäß § 218 Strafgesetzbuch grundsätzlich strafbar. Es gelten jedoch Ausnahmen. So bleibt ein Abbruch für eine Schwangere straffrei
• bei einer medizinischen Indikation – also wenn einer Schwangeren Lebensgefahr droht oder auch die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung ihres körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes.
• bei einer kriminologischen Indikation – also wenn die Schwangerschaft durch ein Sexualdelikt (z.B. einer Vergewaltigung) entstanden ist.
• auf persönlichen Wunsch nach bescheinigter Beratung durch eine anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle. Diese Beratung muss mindestens drei Tage vor dem Eingriff erfolgt sein. Zudem muss der Abbruch ärztlich innerhalb der ersten 12 Wochen nach Empfängnis vorgenommen werden.
Im Konfliktfall muss eine schwangere Frau – auf Wunsch auch anonym – also eine Beratungsstelle aufsuchen. Diese hat die Frau ergebnisoffen zu beraten. Die Schwangere soll zu keiner bestimmten Entscheidung gedrängt werden, sondern sich frei auf Grundlage des Gespräches und der empfangenen Informationen entscheiden können, ob sie die Schwangerschaft fortsetzen oder abbrechen will.
Gehsteigbelästigungen verhindern Beratung von Schwangeren
Die Bundesregierung hat nun festgestellt, dass vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen und auch vor Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, zunehmend Protestaktionen von sogenannten Abtreibungsgegner*innen stattfinden. Diese würden ihre Ablehnung gegenüber Abbrüchen zum Ausdruck bringen und dabei auch direkt auf die Schwangeren einwirken. Dabei würden Schwangere u.a. gezielt in belästigender Weise auf ihr Vorhaben angesprochen oder mit verstörenden Abbildungen oder Schriften zur Thematik konfrontiert werden. „Bei diesen sogenannten Gehsteigbelästigungen handelt es sich um nicht hinnehmbare Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Schwangeren. Schwangere, die sich in der Regel ohnehin in einer besonderen Konfliktsituation befinden, werden durch diese Verhaltensweisen unter erheblichen psychischen Druck gesetzt und zum Teil nachhaltig verunsichert“, stellt die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf fest. Und weiter: „Ebenso werden die Mitarbeitenden der Beratungsstellen und Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, durch die sogenannten Gehsteigbelästigungen bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten behindert.“
So geht es nicht, hat die Bundesregierung daraus gefolgert. Vielmehr hält sie es für wichtig, dass die Beratung überhaupt und auch in der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Atmosphäre stattfinden kann. „Eine solche Atmosphäre kann in der Praxis aufgrund der sogenannten Gehsteigbelästigungen teilweise nicht hergestellt werden. Insgesamt liegt daher oftmals nicht nur eine Belästigung der Schwangeren, sondern zudem eine Störung des Beratungskonzepts im Ganzen vor“, heißt es im Gesetzentwurf. Teilweise würden die Konfrontationen Schwangere auch derart abschrecken, dass sie es gar nicht mehr wagen würden, die Beratungsstelle überhaupt zu betreten.
Gesetzesänderungen sollen Rechtssicherheit für Schwangere schaffen
Fakt ist: Der Staat hat gesetzlich bestimmt, dass sich Schwangere vor einem gewünschten Schwangerschaftsabbruch beraten lassen müssen. Deshalb muss der Gesetzgeber nun auch dafür sorgen, dass die betroffene Frau dieser Pflicht ohne wesentliche Hindernisse auch nachkommen kann. Weil das auch die Bundesregierung so sieht, will sie mit Änderungen des Schwangerschaftskonfliktgesetzes nun einen bundeseinheitlichen und rechtssicheren Umgang mit den sogenannten Gehsteigbelästigungen schaffen. Und zwar
• durch die Klarstellung im Gesetz, dass die Bundesländer den ungehinderten Zugang zu den Beratungsstellen und zu den Einrichtungen für Schwangerschaftsabbrüche zu gewährleisten haben.
• durch ein bußgeldbewehrtes Verbot, Schwangere zu belästigen.
• durch ein bußgeldbewährtes Verbot, Mitarbeitende in Beratungsstellen oder in Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, in ihrer Tätigkeit zu behindern.
Außerdem will die Bundesregierung mit weiteren Änderungen des Gesetzes einen genaueren statistischen Überblick darüber gewinnen, wie es um die regionalen Versorgungslagen in den Bundesländern steht im Hinblick auf Anzahl und Streuung von Beratungsstellen sowie Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.
Änderung des Schwangerschaftkonfliktgesetzes hat wichtige Hürde im Gesetzgebungsverfahren überwunden
Ein wie beschrieben reformiertes Schwangerschaftskonfliktgesetz kann sowohl die Rechte von Schwangeren als auch das Beratungs- und Schutzkonzept insgesamt stärken. Daher ist es gut, dass der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes der Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren aktuell eine ganz hohe Hürde nehmen konnte: Am 03. Juli 2024 stimmte der so wichtige Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Bundestages den geplanten Änderungen zu. Mehrheitlich dafür hatten die Fraktionen der SPD, der FDP, des Bündnis 90/Die Grünen sowie die Gruppe Die Linke votiert. In der Beratung betonten die Koalitionsfraktionen, dass die Änderungen ein bestehendes gutes Gesetz noch besser machen würden. Dadurch nehme man Schwangeren eine Last von den Schultern und sichere zugleich ihr Recht auf reproduktive Selbstbestimmung ab.
Die Fraktionen der CDU/CSU sowie der AfD stimmten gegen die geplanten Änderungen des Schwangerschaftskonfliktgesetzes. Die Union sah die angeführten Gehsteigbelästigungen als nicht erwiesen und hielt es ohnehin für grundsätzlich nicht möglich, Menschen vor jeder Meinungsäußerung (hier: von Abtreibungsgegner*innen) zu schützen. Die AfD unterstellte der Ampel-Koalition, sich mit dieser Gesetzesänderung quasi klammheimlich auf eine gänzliche Legalisierung von Abtreibungen vorzubereiten.
Meine Meinung zum Schwangerschaftskonfliktgesetz
Wie ihr wisst, bin ich Hebamme. Ich unterstütze also in erster Linie Frauen dabei, eine gute und möglichst unkomplizierte Schwangerschaft zu durchleben, ihr Kind aus eigener Kraft gesund auf die Welt zu bringen, zu ihm eine gelingende Bindung aufzubauen, das Wochenbett zu genießen und in die Elternrolle hineinzuwachsen. Das sind die wichtigsten Bedingungen für eine bestmögliche Entwicklung des Kindes.
Aus meiner sehr langjährigen Erfahrung weiß ich aber auch, dass eine Schwangere in tiefe Konflikte stürzen kann. Und dass sich keine Frau die Entscheidung, ob sie ihre Schwangerschaft fortsetzen oder abbrechen soll, leicht macht! Ich weiß, welchen Gedanken die betroffenen Schwangeren ausgesetzt sein können, wie sie von Zukunftsangst und Zweifeln geschüttelt werden, wie sie sich gerade bei einer ungewollten Schwangerschaft mit der Entscheidung quälen – und wie belastend dann der Gang in die Einrichtung für so viele, die sich zu einem Abbruch durchgerungen haben, trotzdem ist. In den Jahrzehnten meiner Tätigkeit habe ich ungezählte Betroffene begleitet, die diese schwere Verantwortung kaum tragen konnten. Deshalb liegt mir jede Verurteilung der Frauen fern, die ihre Schwangerschaft fristgerecht beendet haben oder beenden wollen. Vielmehr stehe ich auch ihnen unverbrüchlich zur Seite!
Und weil ich das tue, sehe ich auch das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung als richtig an. Denn eine in dieser Weise geschaffene bundesweite Regelung wird künftig verhindern, dass der Gang zur Beratungsstelle für Schwangere im Konflikt zum Spießrutenlauf ausartet. Das stellt nämlich eine Verletzung ihrer Grundrechte dar.
Ich halte euch weiter auf dem Laufenden, sobald die Änderungen im Schwangerschaftskonfliktgesetz verankert sind.