Tiefgehende Abschiede fallen immer schwer. So ergeht es auch Frauen und Männer, die trotz aller Bemühungen nach wie vor vergeblich auf ein Baby hoffen. Irgendwann kommt dann der Zeitpunkt, an dem sie sich von ihrem Kinderwunsch verabschieden (müssen).

Für die einen ist die Zeit dafür früher reif, für die anderen später. Die einen nehmen Abschied vom Kinderwunsch, ohne dass sie sich einer Kinderwunsch-Behandlung unterzogen haben, andere tun das nach mehrmaliger erfolgloser ärztlicher Behandlung. Einige fällen die Entscheidung bewusst, für andere ist sie ein unausweichlicher Schritt. In dem Fall  fehlt manchen das Geld für einen weiteren Behandlungszyklus, andere halten die mit der Behandlung verbundenen psychischen Belastungen nicht mehr aus.

Die Statistik sagt uns: Immerhin ist auch nach vier Behandlungszyklen mit einer In-vitro-Fertilisation (IVF) oder einer Intracytoplasmatische-Spermieninjektion (ICSI) die Hälfte der Paare immer noch kinderlos.

Und jetzt?! Wie kann es weiter gehen? Wie sollen wir unsere Trauer bewältigen? Was sagen wir den Freunden? Was machen wir aus unserem Leben? Sich mit seinen Gefühlen und einer veränderten Lebensplanung bewusst auseinanderzusetzen, ist sicher keine leichte Aufgabe. Aber es hilft den seelischen Wunden zu heilen, und es schafft Raum für neue Perspektiven. Schließlich ist auch ein Leben ohne eigene Kinder durchaus erfüllend, auch wenn sich das in diesem Moment nicht so anfühlen mag. Ich möchte den Betroffenen hier jetzt nicht mit Erhebungen kommen, ob nun kinderlose Paare oder Eltern glücklicher/gestresster/gesünder oder sonst was sind. Letztlich muss jede*r einzelne und jedes Paar den eigenen Weg finden und gehen. Erwähnen möchte ich aber: Wer etwas von sich auf dieser Welt hinterlassen möchte, dem kann das auch ohne leibliche Kinder gelingen. Und wer sich um Kinder kümmern und mit ihnen zu tun haben möchte, dem gelingt das, auch ohne selbst ein Baby geboren zu haben.

Trauer zulassen nach dem Abschied vom Kinderwunsch

Zu Gefühlen wie Leere, Scham oder Versagen, die jetzt zu Tage treten können, kommt auch noch die Trauer. Die betroffenen Paare müssen sich von einem Kind verabschieden, das sie nie kennen gelernt haben und das sie nie im Arm halten werden. Dennoch hat dieses ungeborene Kind jahrelang ihr Leben wesentlich (mit)bestimmt und darin eine bedeutende Rolle gespielt. Dieser Abschiedsprozess ist durchaus vergleichbar mit dem Verlust eines geliebten Menschen, der verstirbt.

Dabei ist es wichtig, die Trauer zuzulassen und ihr Zeit und Raum zu geben. Auch wenn es sehr weh tut, sich diesem Abschiedsprozess zu stellen, empfinden viele Paare rückblickend auch diese Trauerphase als durchaus wertvollen und wichtigen  Teil ihres Lebens.

Ein gelingender Abschied hilft, sich mit dem Schmerz der Vergangenheit zu versöhnen und mit dem Thema Kinderwunsch abzuschließen. Dieser Prozess macht Kopf und Seele dafür frei, wieder nach vorne blicken zu können. Er bedeutet jedoch nicht, das Kapitel unerfüllter Kinderwunsch jetzt einfach nur beiseite zu schieben. Vielmehr gilt es, das Erlebte und Erfahrene anzunehmen und ins weitere Leben zu integrieren. Sicher wird auch in der Zukunft ab und wieder Wehmut aufflammen. Das kann zu bestimmten Anlässen sein wie eine Taufe, zu der man eingeladen ist, bei der Nachricht, dass die beste Freundin schwanger ist – oder einfach auch nur beim Anblick fröhlich spielender Kinder. Doch eine solche Reaktion ist völlig angemessen, in Ordnung und  Teil der persönlichen Geschichte.

Wie kinderlose Frauen und Männer diesen Abschiedsweg beschreiten, kann durchaus verschieden sein. Auch hier kommt es darauf an, was ihnen guttut. Als hilfreich haben sich dabei Rituale oder kleine selbst gestaltete Zeremonien erwiesen. So schreiben manche einen Brief an ihr ungeborenes Kind, lassen Ballons in den Himmel steigen oder setzen Blüten auf einen Wasserlauf. 

Auch an dieser Stelle möchte ich euch noch einmal ermutigen: Redet mit Freunden, Verwandten und vertrauten Menschen über eure Trauer. Ihr werdet erleben, wie viel Hilfe und Zuspruch ihr bekommt. Ihr müsst mit dieser Situation nicht alleine umgehen. Scheut euch nicht, auch eine psychosoziale Beratung in Anspruch zu nehmen. Das hilft, mit den eigenen Gefühlen besser umzugehen und sie einzuordnen. So bieten beispielsweise konfessionelle Organisationen, freie Träger oder auch private Coaches Beratung an. Je nachdem, wen man aufsucht, können die Angebote auch kostenlos sein. Mehr zu den Möglichkeiten und den Weg, das Passende zu finden, könnt ihr in meinem Blog hier lesen.

Auch der Kontakt zu anderen Paaren in der gleichen Situation garantiert Austausch und Verständnis. Diese Kraftquelle ist für viele betroffene Frauen und Männer oft hilfreicher als das Gespräch mit Angehörigen oder Freunden, die noch nie in einer solchen Situation waren. Hervorragende Möglichkeiten zum Kontakt mit anderen bieten Selbsthilfegruppen. Beispielsweise kannst du beim Verein Wunschkind e.V. neben wertvollen Informationen über eine Suchfunktion auch eine Selbsthilfegruppe in der Nähe finden.

Neue Perspektiven nutzen

Wer es schafft, diesen Lebenstraum Kinderwunsch loszulassen, hat im übertragenen Sinne die Hände frei für Neues. So kann man sich z.B. auf Wünsche, Träume, Pläne oder Erwartungen besinnen, die man einmal hatte. Sei es als einzelne Person oder auch gemeinsam als Paar. Dann könnten alte Ziele zu neuen Zielen werden, vielleicht in abgeänderter Form, vielleicht mit anderen Vorzeichen – aber trotzdem als neue Perspektive. Manche Paare wagen jetzt auch Schritte bzw. Projekte, die vielleicht bereits vor dem „Projekt Kinderwunsch“ im Raum standen, aber dann in Vergessenheit geraten sind. Das kann auch die Erfüllung eines lang gehegten Reisetraums sein. Ich kenne z.B. ein Paar, das sich ein Wohnmobil gekauft hat und damit monatelang in Europa unterwegs war.

Natürlich kann man auch losgelöst von der Vergangenheit zu neuen Ufern aufbrechen, wenn man bereit für berufliche oder private Veränderungen ist.

Wer all diesen Fragen nicht ausweicht, dem wird es mit der Zeit auch leichter fallen, mit der Neugier aus dem sozialen Umfeld umzugehen: „Habt ihr Kinder?“ oder „Wollt ihr Kinder?“ Dabei ist es mir wichtig zu betonen: Niemand muss sich dafür rechtfertigen, warum er keine Kinder hat. Das gilt sowohl für Paare, die sich bewusst gegen Nachwuchs entschieden haben, als auch für ungewollt kinderlose Paare.

Ihr werdet allmählich ein Gespür dafür bekommen, in welchen Situationen und gegenüber welchen Menschen eine kurze knappe Antwort die richtige für euch ist. Notfalls „darf“ man natürlich taktlose Fragerei auch zurückweisen mit Sätzen wie „Das möchte ich jetzt nicht weiter vertiefen.“ oder „Darüber möchte ich hier nicht sprechen.“ Und es wird auch andere Momente geben, in denen das Gespräch tiefer gehen darf, ihr mehr von euch preisgeben möchtet – und das als wohltuend erleben werdet.

Viele Frauen und Männer, die heute auf ihren Abschied vom Kinderwunsch zurückblicken, stellen dabei fest, dass sie an ihrer Lebenskrise sogar gewachsen sind – als Individuum, aber auch als Paar. Bei ihnen ist auf dem langen beschwerlichen Weg zum unerfüllt gebliebenen Kinderwunsch eine noch tiefere Verbundenheit entstanden, die ihre Beziehung intensiviert und verstärkt hat.

Der Wunsch nach anderen Kindern

Für ungewollt kinderlose Paare steht häufig noch vor dem endgültigen Abschied von ihrem Lebenstraum „Familie mit Kind“ die Frage nach einer Adoption oder Pflegschaft im Raum. Je nachdem, wie ihre Entscheidung dazu ausfällt (und ob das überhaupt möglich ist), schlagen manche Paare dann auch dieses neue Kapitel auf.

Andere Betroffene lösen sich ganz vom Modell „Familie mit Kind“, wünschen sich aber trotzdem einen Alltag mit Kontakt zu Kindern. Auch das ist möglich – Erfüllung könnt ihr auch darin finden, sich für andere Kinder zu engagieren bzw. sie zu unterstützen. Warum nicht Lesemutter in der benachbarten Grundschule werden oder Trainer für kleine Fußballer*innen im nahen Sportverein? Warum nicht ehrenamtlich in einer Spielstube mithelfen, eine Krabbelgruppe mit betreuen oder Familienpatin werden? Es gibt so viele Möglichkeiten, den Umgang mit Kindern in seinen Lebensalltag zu etablieren! Und sei es, einfach nur ein gutes Verhältnis zu seinen Nichten/Neffen oder Patenkindern zu haben. Wenn man das möchte.

Autorenbox

Katharina Jeschke

Katharina Jeschke

Gründerin von elternundbaby.com und Hebamme

Als Geburtshausleiterin, Hebamme und Mutter unterstütze ich Frauen dabei ihre Herausforderung während, vor und nach der Schwangerschaft besser zu bewältigen.

Um noch mehr Frauen zu erreichen, startete ich elternundbaby.com. Ich freue mich darauf, dich hier begrüßen zu dürfen.