Viele Paare wünschen sich ein Kind – und es will einfach nicht klappen. Ungewollt kinderlos zu bleiben, ist für die Betroffenen meist eine jahrelange kraftzehrende Belastungsprobe – körperlich wie seelisch. Viele fühlen sich alleine. Dabei ist die Gruppe der Paare, die auf ein Kind warten groß. In Deutschland sind 5 bis 15 Prozent der heterosexuellen Paare ungewollt kinderlos. Das betrifft je nach Schätzung mindestens 800.000 Paare.

Doch was versteht man überhaupt unter „ungewollt kinderlos“? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert das so: Wer über einen Zeitraum von einem Jahr regelmäßig ungeschützten Geschlechtsverkehr hat, ohne dass daraus eine Schwangerschaft hervorgeht, ist ungewollt kinderlos. Viele Ärztinnen und Ärzte sprechen in diesem Zusammenhang auch von einem Zeitraum von bis zu zwei Jahren.

Die genannte Zeitspanne bedeutet jedoch nicht, dass nach ein bis zwei Jahren in jedem Fall eine Behandlungsmaschinerie in Gang gesetzt wird bzw. gesetzt werden sollte. Innerhalb von drei Jahren kann immerhin noch die Hälfte aller betroffenen Paare damit rechnen, ohne medizinische Hilfe ein Kind zu zeugen. Doch die Zeit des Wartens ist für viele eine emotionale Herausforderung zwischen Hoffen und Bangen. Nach vier Jahren Kinderwunsch sinkt die Zahl der Paare, die ohne Behandlung schwanger werden, auf nur noch 5 Prozent.

Der unerfüllte Kinderwunsch ist eine Zerreißprobe für die Parnterschaft, je länger er anhält. Und doch sind es viele Paare, die diesen Wunsch über viele Jahre hegen. Eine aktuelle Studie des Bundesgesundheitsministeriums (BMFSFJ) zeigt, dass rund die Hälfte der ungewollt kinderlosen Frauen (42 %) und Männer (58 %) länger als fünf Jahre versucht, ein Kind zu bekommen. Knapp ein Viertel der Frauen (24 %) und über ein Drittel der Männer (38 %) wünschen sich seit mindestens 10 Jahren Nachwuchs.

Wenn „es“ nicht klappt, ist der erste Schritt für die meisten Betroffenen, sich zunächst medizinisch beraten und untersuchen zu lassen. Denn die nagende Frage, woran die ungewollte Kinderlosigkeit es liegt, schiebt sich immer weiter in den Vordergrund. Auch die persönliche Lebensplanung kann dabei zunehmend ins Wanken geraten. Eine Schwangerschaft lässt sich zwar gezielt verhüten – aber nicht gezielt herbeiführen. Und dabei geht es nicht allein darum, erstmalig schwanger zu werden, denn auch der unerfüllte Wunsch nach einem zweiten oder dritten Kind kann das Familienleben überschatten.

Bei der Frage nach dem „Warum“ liegen die Ursachen für die Kinderlosigkeit in rund 30 Prozent der Fälle bei der Frau, in ebenfalls 30 Prozent beim Mann sowie in nochmals 30 Prozent bei beiden. In etwa 10 Prozent der Fälle können auch medizinische Untersuchungen keine konkreten Ursachen für die ausbleibende Schwangerschaft zu Tage fördern. Einerseits sind die Betroffenen dann erleichtert („Zum Glück nichts gefunden!“) – aber andererseits zugleich weiter verunsichert („Aber warum klappt es dann bei uns nicht?!“).

In solchen Fällen steht ein betroffenes Paar dann meist vor der Entscheidung, ob es mit einer Kinderwunschbehandlung beginnen möchte. In diesem Zusammenhang kommen regelmäßig auch Überlegungen zum Tragen, wie ein Leben ohne leibliches Kind aussehen und was es bedeuten würde: Können wir uns beide auch eine Adoption oder Pflegschaft vorstellen? Können wir auch ein erfülltes Leben ohne Kinder führen?

Belastung für die Psyche

Unabhängig davon, ob sich ein Paar für oder gegen eine reproduktionsmedizinische Behandlung entscheidet – die bis dahin meist lange Zeit der ungewollten Kinderlosigkeit hinterlässt Spuren auf der Seele. Da sind zum einen die persönliche Situation, die vielen Zweifel und Gedanken, die immer wieder neue Hoffnung und Enttäuschung, der Frust, die Trauer oder Wut. Zum anderen verstärkt oft auch die gesellschaftliche Reaktion die psychischen Belastungen und negativen Gefühle.

Frauen und Männern mit unerfülltem Kinderwunsch können aus ihrem sozialen Umfeld durchaus widersprüchliche Reaktionen erfahren: Da ist zum die vermeintlich harmlose Frage „Wollt ihr eigentlich auch Kinder?“, die bereits Stiche versetzen kann. Auch im 21. Jahrhundert sehen sich insbesondere Frauen immer noch mit der gesellschaftlichen Erwartungshaltung konfrontiert, Mutter zu werden bzw. werden zu wollen. Vom Anspruch, dann auch noch eine „gute Mutter“ zu sein – was auch immer man darunter versteht – mal ganz zu schweigen. Die historisch gewachsene Zuschreibung, dass zur Rolle der erwachsenen „reproduktionsfähigen“ Frau auch das Muttersein gehört, hat unsere Gesellschaft trotz aller angestrebten Gleichberechtigung noch sehr verinnerlicht.

Auf der anderen Seite können betroffene Paare in ihrem sozialen Umfeld aber auch Unverständnis für ihren starken Kinderwunsch ernten. Dann müssen sie sich z.B. anhören, dass ein Leben ohne Kinder doch vieles vereinfacht: Man muss sich nicht einschränken, kann leichter reisen und auch müheloser eine Wohnung anmieten. Auch die BMFSFJ Studie zeigt: Rund die Hälfte der Befragten mit unerfülltem Kinderwunsch beobachten eine gesellschaftliche Stigmatisierung von ungewollt kinderlosen Frauen und Männern – bei gleichzeitiger Tabuisierung dieses Themas.

So befinden sich betroffene Paare oft auf einer Achterbahn der Gefühle. Das kann bis hin zu depressiven Phasen bzw. psychischen Krisen reichen. Zumindest erleidet das Selbstbewusstsein meist herbe Einbußen. Oft gehen Männer und Frauen mit diesen Belastungen unterschiedlich um, was wiederum zu zusätzlichen Spannungen in der Partnerschaft führen kann. Die Praxis zeigt, dass bei den Frauen der Leidensdruck besonders hoch ist. Sie stellen ihren Körper in Frage, sehen sich mit einem „Makel“ behaftet. Aber auch Männer schämen sich nicht selten, kein „echter Mann“ zu sein, und fühlen sich (grundlos) schuldig.

Darüber hinaus mutiert sehr oft ein Liebesleben voller Spontanität und Nähe zum rot markierten Pflichttermin im (Eisprung)Kalender. Auch diese Entwicklung ist dem Seelenleben und der Partnerschaft wenig zuträglich. Mehr dazu, wie ihr dieser Falle entkommt, könnt ihr auch hier(Link zum Text Kinderwunsch selbst Einfluss nehmen) im Blog lesen.

Wird in diesem Strudel von Gefühlsachterbahn und Strapazen einer eventuellen Kinderwunschbehandlung im sozialen Umfeld des betroffenen Paares eine andere Frau scheinbar „problemlos“ oder gar ungeplant schwanger, so empfinden das die meisten vergeblich Hoffenden als zusätzlichen Schlag ins Gesicht.

Vor diesem ganzen Hintergrund ist es dann nur allzu verständlich, dass auch so manche Beziehung von Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch in eine handfeste Krise gerät. Andererseits zeigt die Erfahrung aber auch, dass viele Partnerschaften im Gegenteil gestärkt aus diesen gemeinsam durchgestandenen schweren Zeiten hervorgehen. Es ist wahr: Manche Beziehungen zerbrechen an der Situation – aber das sind erfreulicherweise wenige. 

Und dennoch ist es für alle Paare wichtig, dass sie mit diesem Problem nicht alleine bleiben. Es ist wichtig, dass sie gemeinsam im Gespräch bleiben, aber auch mit anderen offen kommunizieren. Wenn Paare mit Kinderwunsch offen darüber sprechen, helfen sie auch dabei, das Thema ungewollte Kinderlosigkeit aus der Tabu-Ecke zu holen.

Beratungsangebote helfen bei Kinderwunsch

Fachleute schätzen, dass lediglich zwei bis fünf Prozent der betroffenen Frauen im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung eine Psychosoziale Beratung in Anspruch nehmen. Und Männer sind da leider noch zurückhaltender. Ich möchte euch jedoch ausdrücklich ermutigen: Scheut euch nicht, bei unerfülltem Kinderwunsch auch die entsprechenden Beratungsangebote zu nutzen!

Die Paare, die sich letztlich für eine Beratung entschieden haben, berichten häufig, wie gut ihnen diese Gespräche und die Begleitung getan haben. So ist es ihnen leichter gefallen, ihre Situation mit neutralen, fachlich geschulten Außenstehenden zu besprechen statt mit der Familie oder mit Freunden. Die Erfahrung zeigt auch, dass es oft hilfreich ist, sich im Kinderwunschprozess bereits frühzeitig beraten zu lassen. So kann beispielsweise auch herausgearbeitet werden, was womöglich hinter einem sehr ausgeprägten Kinderwunsch steht. Die psychologische Beratung hilft auch dabei, den Erfolgsdruck zu mindern. Das ist wichtig, denn Druck reduziert die Chance auf eine Schwangerschaft. Der Stress ist verständlich und normal. Aber der Stress ist auch eine Falle. Umso wichtiger ist es, dass Paare Hilfe suchen, um einen guten Umgang mit diesem Stress zu erlernen.

Die Fachkräfte in den Beratungsstellen stehen in jeder Phase des Weges an eurer Seite. Das beginnt bei eurer Entscheidung, ob ihr eine entsprechende medizinische Behandlung durchführen lassen möchtet, es setzt sich fort, während ihr auf die Behandlungsergebnisse wartet, und auch nach ggf. erfolglosen Behandlungen werdet ihr unterstützt, wenn dann möglicherweise das Thema Abschied vom Kinderwunsch im Raum steht.

Hier findet ihr Ansprechpartner*innen für eine Psychosoziale Beratung: zum Beispiel bei Schwangerschaftsberatungsstellen, Kinderwunsch-Zentren oder konfessionellen Trägern. Als Beratungsformen werden Einzelsitzungen, Paar- oder auch Gruppenberatungen angeboten. Ob und ggf. welche Kosten anfallen, solltet ihr bereits im Vorfeld klären.

• Unterstützung beim Thema Kinderwunsch und die Vermittlung unabhängiger Beratungsstellen bietet auch das Beratungsnetzwerk Kinderwunsch Deutschland (BKiD): www.bkid.de

• Das Internetportal des Bundesgesundheitsministeriums bietet eine Suchfunktion nach Postleitzahl für entsprechende Beratungsstellen an: www.informationsportal-kinderwunsch.de

• Aber auch Selbsthilfegruppen sind eine wertvolle Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und weitere Informationen zu erhalten. Bei der Suche nach entsprechenden Kontakten kann euch zum Beispiel der Verein Wunschkind e. V. weiterhelfen: www.wunschkind.de

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Katharina Jeschke

Katharina Jeschke

Gründerin von elternundbaby.com und Hebamme, zertifizierte Erste Hilfe Trainerin, zertifizierte Schlafcaochin für Babys und Kinder

Als Hebamme, Schlafcoachin für Babys und Kinder, sowie als Erste Hilfe Trainerin  unterstütze ich Frauen und Eltern dabei Schwangerschaft, Geburt und die Zeit als Eltern gut und entspannt zu gestalten. Ich bin selbst Mama von zwei bezaubernden Kindern.

Kinder sollen sicher und geborgen wachsen können. Dafür brauchen sie starke Eltern, die mit Wissen und Intuition die Entwicklung ihrer Kinder begleiten. Meine Hebammenhilfe soll Eltern das Wissen und Vertrauen geben, das sie ihren individuellen Weg finden und gehen können.

Dieser Blog elternundbaby.com ergänzt meine online Hebammensprechstunde und meine online Kurse von notdiensthebamme.de