Das lässt sich kaum vermeiden – wenn du ein Kind erwartest, kommst du im Laufe der Schwangerschaft unweigerlich auch mit diesem Thema in Berührung: Pränataldiagnostik. Deshalb möchte ich hier erklären, was sich dahinter verbirgt.

Was ist Pränataldiagnostik (PND)?

Schauen wir uns als erstes dieses Wortungetüm „Pränataldiagnostik“ an, dessen drei Teile aus dem Lateinischen abgeleitet sind:

• Die Silbe „prä“ steht für „vorher, zeitlich früher liegend“.

• „natal“ kommt von „natalis“, was „die Geburt betreffend“ bedeutet.

• „Diagnostik“ bezeichnet alle medizinischen Methoden zur Feststellung oder Bestimmung einer Krankheit.

Mit dem zusammengesetzten Wort „Pränataldiagnostik“ sind also unterschiedliche Untersuchungen gemeint, mit denen vor der Geburt herauszufinden ist, ob beim Ungeborenen gesundheitliche Beeinträchtigungen vorliegen.

Bei der Pränataldiagnostik wird zwischen invasiven Methoden und nicht invasiven Methoden unterschieden. Zum besseren Verständnis: Die invasiven Verfahren dringen in den Körper der Frau ein, die nicht invasiven Verfahren tun das nicht.

Was ist mit der Pränataldiagnostik feststellbar?

Während der Schwangerschaft stehen jeder Schwangeren regulär drei Basis-Ultraschalluntersuchungen zu. Sollten sich dann Anhaltspunkte ergeben, dass sich das ungeborene Kind möglicherweise nicht regelhaft entwickelt, werden der Schwangeren bestimmte Zusatzuntersuchungen angeboten. Diese dienen dem Ziel, beim Baby eventuelle Erkrankungen oder Behinderungen festzustellen bzw. auszuschließen. Dabei kann es sich z.B. um Chromosomenanomalien, Fehlbildungen, Stoffwechselstörungen oder auch Erbkrankheiten handeln. So können per Pränataldiagnostik unter anderem Trisomie 21 (Down Syndrom), Herzfehler, Mukoviszidose oder ein sog. offener Rücken (Spina bifida) festgestellt werden.

Doch selbst, wenn eine Behinderung beim Kind diagnostiziert wird, kann oft nicht vorhergesagt werden, wie stark diese ausgeprägt sein wird. Das Down Syndrom zum Beispiel kann sich in sehr unterschiedlicher Weise auswirken. Später einmal kaum wahrnehmbare Beeinträchtigungen behindern den davon betroffenen Menschen fast gar, weitgehend ein „ganz normales“ Leben zu führen. Als schwere Behinderung zieht das Down Syndrom oft eine lebenslange Betreuung in geschützter (familiärer oder institutioneller) Umgebung nach sich.

Manchmal kann jedoch auch mittels Pränataldiagnostik nicht sicher festgestellt werden, ob das Kind tatsächlich eine Besonderheit aufweist. In dem Fall kann nur sicher gesagt werden, dass dafür eine bestimmte Wahrscheinlichkeit besteht. Um mehr Gewissheit zu erhalten, zieht dann eine Untersuchung manchmal noch eine weitere nach sich.

Auch wenn bei der werdenden Mutter bestimmte gesundheitliche Vorbelastungen bestehen, etwa Diabetes mellitus, werden ihr noch zusätzliche Untersuchungen angeboten.

Falls also deine Hebamme oder deine Ärztin/dein Arzt bei einer regulären Vorsorgeuntersuchung Auffälligkeiten feststellt, übernimmt deine Krankenversicherung die Kosten für die weiteren nötigen Diagnoseverfahren.

Hat frühzeitiges Wissen Vorteile?

Pränataldiagnostik dient jedoch in den allermeisten Fällen nicht der Behandlung des ungeborenen Kindes. Dies ist nur in ganz bestimmten Einzelfällen möglich und gehört nicht mehr zur Pränataldiagnostik.

Weiß man jedoch bereits vor der Geburt, dass ein Kind krank bzw. behindert zur Welt kommt, so können die anstehende Geburt und gegebenenfalls sofortige erforderliche Behandlungen im Anschluss bestmöglich geplant und vorbereitet werden. Das hat insbesondere für das Kind entscheidende Vorteile. Gleiches gilt aus Sicht vieler Eltern: Wissen sie schon im Vorfeld, ob ihr Kind behindert oder krank geboren wird, können auch sie sich besser darauf einstellen sowie ihr Leben mit dem Kind vorbereiten. An dieser Stelle solltest du aber auch wissen: Rund 95 Prozent aller Babys erblicken völlig gesund das Licht der Welt.

Und noch etwas möchte ich unbedingt klarzustellen: Sollten auch dir bestimmte Untersuchungen im Rahmen der Pränataldiagnostik angeboten oder angeraten werden, so bleibt es dennoch allein deine Entscheidung, ob du diese durchführen lassen möchtet oder nicht. In jedem Fall hast du auch ein Recht auf Nichtwissen. Du kannst dieses Wissen haben wollen. Du darfst aber auch sagen, dass du das nicht wissen möchtest.

Aus der Betreuung von Eltern, die ein Kind erwarten, weiß ich: Selbst wenn die Schwangerschaft „wie im Bilderbuch“ verläuft, möchten sich manche Eltern zusätzlich vergewissern, dass es ihrem Baby tatsächlich gut geht. Sie wünschen sich also ohne konkreten Anlass oder Verdacht bestimmte pränataldiagnostische Untersuchungen und erhoffen sich davon mehr innere Sicherheit. Dazu kann ich euch nur sagen: Redet lieber mit mir oder eurer Hebamme über eure Ängste. Dass diese durch immer erneute Untersuchungen verschwinden, ist nämlich eine Illusion.

In jedem Fall sind die Kosten von „anlassloser“ Pränataldiagnostik selbst zu tragen.  In der Arztpraxis werden die Untersuchungsverfahren dann als sogenannte individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) angeboten. 

Was würde eine Diagnose bedeuten?

Zunächst möchte ich dich beruhigen: Beim sogenannten Ersttrimester-Screening (mehr dazu findest du hier) liegt in nur rund fünf Prozent der Fälle ein auffälliger Befund vor. Die meisten Schwangerschaften verlaufen unauffällig. Doch steht der Verdacht im Raum, dass beim Baby etwas nicht in Ordnung sein könnte, führt das bei den betroffenen Frauen bzw. Paaren verständlicherweise zu großer Sorge und Unsicherheit.

Die Praxis zeigt, dass viele Eltern den Gedanken daran, dass ihr Kind tatsächlich krank oder behindert sein könnte, weit von sich wegschieben bzw. verdrängen. Zu unbegreiflich und erschreckend erscheinen zunächst all die möglichen Konsequenzen, die mit einem entsprechenden Befund auf die Familie zukommen würden. Falls das Kind tatsächlich beeinträchtigt sein wird, stehen Eltern nämlich vor der Frage: Soll die Schwangerschaft abgebrochen werden? Wie sähe ein Leben mit einem behinderten oder chronisch kranken Kind aus? Wie kann man die Trauer bewältigen? Plötzlich müssen Entscheidungen getroffen werden, die einem den Boden unter den Füßen wegziehen können. Doch nicht erst dann, wenn ein Befund vorliegt, ist es von unschätzbarem Wert, den Weg wohin auch immer nicht allein gehen zu müssen.

Wie ist das mit der Beratung?

Zunächst erhalten Eltern vor jeder pränataldiagnostischer Untersuchung eine umfassende medizinische Aufklärung und Beratung: Wie läuft der Eingriff ab? Welche Risiken bestehen dabei für Mutter und Kind? Welche Aussagekraft hat das Ergebnis? Also wie sicher kann eine Beeinträchtigung und deren Schwere festgestellt werden? Falls erforderlich, sind idealerweise auch eine Humangenetikerin/ein Humangenetiker und/oder eine Kinderärztin/ein Kinderarzt an der Vorab-Beratung beteiligt.

Darüber hinaus besteht für alle Eltern ein Anspruch auf kostenlose psychosoziale Beratung. Dabei können sie all ihre Fragen, Unsicherheiten, Zweifel, Ängste oder Trauergefühle mit einer professionellen Beraterin bzw. einem Berater in Ruhe besprechen. Das gilt für alle Phasen im Zusammenhang mit der Pränataldiagnostik:

• Du kannst dich bereits vor einer Untersuchung beraten lassen. Das hilft bei der Entscheidung, ob du den Eingriff überhaupt vornehmen lassen möchtest oder nicht. Mein Tipp an dich: Nimm das Beratungsangebot unbedingt vor den Untersuchungen wahr und überlege dir früh in der Schwangerschaft, welches Wissen du über dein Kind haben möchtest. Denn nur dann bist du gut für den Falle eines auffälligen Ergebnisses vorbereitet.

• Du kannst dich jederzeit auch psychosozial beraten bzw. begleiten lassen, während du auf die Ergebnisse einer Untersuchung wartest. Gerade diese Wartezeit kann nämlich sehr an den Nerven zerren. Da tut es gut, mit jemandem über die Angst vor einer Diagnose sprechen zu können.

• Du kannst und solltest dich auch beraten und begleiten lassen, wenn das Ergebnis mit einem positiven Befund vorliegt. Das bedeutet: Bei deinem Kind wurde tatsächlich eine Behinderung oder Krankheit entdeckt. Wie auch immer du darauf reagierst und dich entscheidest – das bleibt schwierig für Eltern. Sie stehen dann vor der Frage, ob die Schwangerschaft fortgesetzt werden soll oder nicht. Darauf gibt keine „richtige“ oder „falsche“ Antwort, sondern immer nur die individuelle Entscheidung.

• Und schließlich kannst du auch nach einer Fehlgeburt oder einem (späten) Schwangerschaftsabbruch Begleitung in deinem Trauerprozess in Anspruch nehmen.

In jedem Fall möchte ich euch ausdrücklich ermutigen: Lasst Euch in all diesen belastenden Situationen auch psychosozial beraten und begleiten!

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Katharina Jeschke

Katharina Jeschke

Gründerin von elternundbaby.com und Hebamme

Als Geburtshausleiterin, Hebamme und Mutter unterstütze ich Frauen dabei ihre Herausforderung während, vor und nach der Schwangerschaft besser zu bewältigen.

Um noch mehr Frauen zu erreichen, startete ich elternundbaby.com. Ich freue mich darauf, dich hier begrüßen zu dürfen.