Seit 2009 hat jedes neugeborene Kind einen Anspruch auf ein Neugeborenen Hörscreening. Das heißt, auf eine Untersuchung, die sein Hörvermögen testet. Die Kontrolle liegt regelmäßig zwischen Babys zweitem und vierten Lebenstag und wird in der Geburtsklinik meistens im Rahmen der U1 Vorsorgeuntersuchung erledigt. Bei Kindern, die zu Hause oder im Geburtshaus geboren wurden, übernimmt die HNO-Ärztin, der HNO-Arzt das Screening. In jedem Fall tragen die Krankenkassen die Kosten dafür.
Von 1.000 Babys, die das Licht der Welt erblicken, werden zwei bis drei mit beeinträchtigtem Hörvermögen geboren, das behandelt werden muss. Je früher als eine Beeinträchtigung festgestellt wird, desto eher kann es gelingen, sie zu beseitigen oder auszugleichen.

Warum ist das Screening so wichtig?
Hören können ist die Grundlage fürs Sprechen lernen . Das heißt: Nur wenn Kinder hören können, sind sie auch in der Lage, Gesprochenes in ihrem Umfeld wahrzunehmen und letztlich nachzusprechen. Interessanterweise schreien jedoch auch gehörlose Babys vernehmbar, obwohl sie sich selbst nicht hören können. Anders als bei gesunden Kindern ist ihr Weinen dabei jedoch relativ monoton und tief.
Zum Hören und Verstehen nimmt das Ohr die Schallwellen auf, die dort ankommen, und wandelt sie in bestimmte Signale um. Diese Signale wiederum transportiert der Hörnerv ins Gehirn. Hier werden sie verarbeitet und als Sprache wahrgenommen bzw. verstanden. An diesem Prozess „arbeiten“ auch Bereiche im Gehirn mit, die fürs Sprechen notwendig sind.
Neben der Sprachentwicklung beeinflusst die Fähigkeit, hören zu können, letztlich auch die psychosoziale und emotionale Entwicklung des Kindes. So entstehen leicht Entwicklungsrückstände, wenn es länger unbemerkt bleibt, dass ein Kind schlecht oder gar nicht hören kann. Das bedeutet im Umkehrschluss: Je früher eine Hörbeeinträchtigung festgestellt wird, desto besser kann das Kind behandelt werden. Die moderne Hörgerätetechnik leistet hier bereits Großartiges. In Kombination mit Frühförderung kann da viel für die jungen Menschen getan werden.
Wie funktioniert das Neugeborenen Hörscreening?
Das Baby bekommt von der eigentlichen Untersuchung im Grunde nichts mit. Sie ist vollkommen schmerzfrei, hat keinerlei Nebenwirkungen und dauert nur wenige Minuten. Das Neugeborenen Hörscreening kann sogar durchgeführt werden, wenn das Zweglein schläft.
Es gibt zwei Messverfahren, die möglicherweise beide durchgeführt werden oder nur eine Methode davon.
Die Ableitung von Otoakustischen Emissionen (OAE) zeigt, ob das Innenohr in der Lage ist, Schallwellen zu empfangen und auszusenden. Dafür wird dem Baby ein ganz leiser Ton ins Ohr gespielt. Wird dieser vom Ohr registriert, sendet das Ohr seinerseits einen Ton als Antwort. Das zeigt an, dass Mittelohr und Hörschnecke funktionieren.
Die Automatisierte Hirnstammaudiometrie (AABR) gibt Aufschluss darüber, ob die Nervenimpulse aus dem Innenohr „planmäßig“ ans Gehirn weitergeleitet und verarbeitet werden. Dafür werden dem Baby Elektroden auf die Stirn, die Wangenknochen und in den Nacken geklebt. Dann wird ihm ein Ton vorgespielt. Nun messen die Elektroden die Reaktion des Gehirns auf diesen Ton. Wenn die Reaktion messbar ist, arbeiten das Mittelohr, die Hörschnecke, der Hörnerv und der untere Teil der Hörbahn tadellos.
Was sagt das Ergebnis aus?
Entweder zeigt das Testgerät „Unauffällig“ (PASS) oder „Kontrolle“ (REFER) an. Eltern sollten sich jedoch nicht gleich sorgen, falls eine Kontrolle erforderlich ist. Sie wird dann am selben oder in den kommenden Tagen durchgeführt.
Es kann sein, dass beim Neugeborenen beispielsweise noch etwas Käseschmiere im Gehörgang sitzt oder ein wenig Fruchtwasser im Mittelohr hängt. Solche Gründe können auch dann vorliegen, wenn auch die Kontrolluntersuchung mit einem auffälligen Ergebnis endet. Dennoch sollten Eltern in solchen Fällen mit ihrem Kind unbedingt innerhalb von vier Wochen einen entsprechenden Spezialisten aufsuchen. Kurz: Zeigt das Testgerät ein zweites Mal „Kontrolle“ an, stelle dein Kind einem Pädaudiologen vor. Das ist eine Fachärztin/ein Facharzt für Erkrankungen des menschlichen Gehörs – aber spezialisiert auf Kinder. In einer pädaudiologischen Praxis kann eine verlässliche Diagnose gestellt werden. Dort findest du ebenfalls Ansprechpartner*innen, falls dir am Hörvermögen deines Kindes später etwas auffällig erscheint.
Auch die Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie weist auf ihrer Internetseite darauf hin, dass die Folgen oft unterschätzt werden, wenn nur ein Ohr von einer Hörbeeinträchtigung betroffen ist. Daher sollten Eltern darauf achten, wie die Ergebnisse für beide Kinderohren aussehen. Sie sollten auf beiden Seiten „Unauffällig“ sein.
Letztlich ist das Neugeborenen Hörscreening auch nur eine Momentaufnahme zum Zeitpunkt nach der Geburt. Solltest du irgendwann später den Eindruck haben, dein Kind kann nicht einwandfrei hören: Zögere nicht, ärztlichen Rat einzuholen. Aber verzichte bitte auf „Hörtests“ in Eigenregie. Vielleicht reagiert dein hörendes Baby nicht auf das Geräusch, mit dem du es testen willst, weil es einfach müde ist. Andererseits können nicht hörende Kinder viel empfindsamer auf etwa eine unauffällige Bewegung oder einen Windhauch reagieren, so dass es so wirkt, als könnten sie hören.
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Katharina Jeschke
Gründerin von elternundbaby.com und Hebamme, zertifizierte Erste Hilfe Trainerin, zertifizierte Schlafcaochin für Babys und Kinder
Als Hebamme, Schlafcoachin für Babys und Kinder, sowie als Erste Hilfe Trainerin unterstütze ich Frauen und Eltern dabei Schwangerschaft, Geburt und die Zeit als Eltern gut und entspannt zu gestalten. Ich bin selbst Mama von zwei bezaubernden Kindern.
Kinder sollen sicher und geborgen wachsen können. Dafür brauchen sie starke Eltern, die mit Wissen und Intuition die Entwicklung ihrer Kinder begleiten. Meine Hebammenhilfe soll Eltern das Wissen und Vertrauen geben, das sie ihren individuellen Weg finden und gehen können.
Dieser Blog elternundbaby.com ergänzt meine online Hebammensprechstunde und meine online Kurse von notdiensthebamme.de