Wenn ich bei einer frisch gebackenen Mutter den ersten Besuch im Wochenbett mache, erlebe ich es oft: Stolz wird mir das Baby präsentiert und berichtet, dass das Neugeborene gleich nach der Geburt im Kreißsaal die Punkte 9-10-10 beim Apgar Test erreicht hat. Besser geht`s kaum! Aber dann – „…äh, was war das jetzt noch mal genau? Apgar-Test ist doch irgendetwas mit Atmung … oder Puls …?“ Und wo kommt eigentlich der Name her? „Ich wette, dass es mal einen ‚Herrn Apgar‘ gegeben hat“, scherzte kürzlich ein Vater.

Müttern bzw. Vätern ist der Begriff Apgar Test bzw. Apgar Score bekannt, schließlich sind die Ergebnisse dieser ersten Untersuchung ihres Babys direkt nach der Geburt im Mutterpass sowie im gelben Untersuchungsheft des Kindes eingetragen. Trotzdem dürfte auch für sie interessant sein, was es mit dem Apgar Test auf sich hat und was sich genau hinter den Punktzahlen verbirgt.

Also: Der von dem Papa vermutete Namensgeber „Herr Apgar“ war tatsächlich eine „Frau Apgar“. Denn diese Untersuchung geht auf Virginia Apgar (1909 -1974) zurück, eine US-amerikanische Chirurgin und Anästhesistin. Die Ärztin entwickelte 1952 ein Schema und Punktesystem, nach dem Neugeborene gleich nach der Geburt untersucht werden. Ziel ist es, durch Untersuchungen bestimmter Körperfunktionen einen ersten Eindruck vom Gesundheitszustand des Kindes zu gewinnen. Hier hatte sich Virginia Apgar an die Anästhesie angelehnt, denn auch dort werden Patientinnen bzw. Patienten mit dieser Methode überwacht.

Für Neugeborene hat die Erfinderin des Apgar Tests festgelegt: Das Baby erhält für jedes einzelne der insgesamt fünf definierten Merkmale je nach aktuellem Gesundheitszustand 0 bis 2 Punkte. Dieser „Check“ erfolgt dreimal kurz hintereinander: nämlich eine Minute, fünf Minuten und zehn Minuten nach der Geburt. Maximal kann das Kind also pro Untersuchung 10 Punkte erreichen.

Was wird beim Agpar Test untersucht?

Quasi als Eselsbrücke ergeben die Anfangsbuchstaben der fünf Körperfunktionen, die untersucht werden, den Begriff APGAR:

Atmung des Babys

Hier wird begutachtet, wie sehr sich das Neugeborene beim Atmen anstrengen muss bzw. wie regelmäßig es atmet: Wenn es gar nicht atmet, gibt es null Punkte. Eine langsame oder unregelmäßige Atmung erhält einen Punkt. Für eine regelmäßige Atmung bzw. kräftiges Schreien gibt es zwei Punkte.

Puls

Der Puls zeigt die Herzfrequenz an. Null Punkte bedeutet, dass der Puls nicht wahrnehmbar ist. Liegt der Herzschlag bei weniger als 100 Schlägen pro Minute, erhält das Kind einen Punkt. Mehr als 100 Schläge pro Minute bekommen zwei Punkte.

Grundtonus

Damit ist die Muskelbewegung bzw. Muskelspannung gemeint. Dazu gehören beispielsweise Grimassen, die das Baby zieht, oder die Bewegung von Armen und/oder Beinen. Ist die Muskelspannung schlaff oder zeigt das Baby keine Bewegung, werden null Punkte vergeben. Einen Punkt gibt es für träge Muskelbewegungen, zwei Punkte für kräftige Bewegungen.

Aussehen

Dabei geht es um die Hautfarbe des Babys. Ein blasser bis bläulicher Ton erhält null Punkte. Ist der kleine Körper rosig, aber die Ärmchen und Beinchen noch etwas bläulich, heißt das: ein Punkt. Für gleichmäßig rosige Haut am gesamten Körper werden zwei Punkte notiert. 

Reflexe des Babys

Getestet wird auch, wie gut sich beim Neugeborenen durch bestimmte Reize Reflexe auslösen lassen. Dazu gehört etwa der Greifreflex, bei dem das Baby seine Finger um etwas schließt (z.B. den Finger der Hebamme), das seine Handflächen berührt. Sind keine Reflexe vorhanden, heißt das null Punkte. Zeigt das Kleine nur geringe Reaktionen, gibt es einen Punkt. Reagiert das Baby sofort, erhält es zwei Punkte.

Mit diesem Untersuchungsschema hat es Virginia Apgar ermöglicht, dass die Vitalzeichen von Neugeborenen nach einheitlichen Kriterien erfasst und verglichen werden können. Dabei geht es nicht um „Leistungstabellen“, sondern einzig und allein um lebenswichtige Fragen: Wie geht es dem Kind gleich nach der Geburt? Schafft es die Anpassung an die neuen Lebensumstände außerhalb des Mutterleibes allein – oder braucht es möglicherweise Unterstützung z. B. bei der selbständigen Atmung? Ist vielleicht sogar dringend medizinische Behandlung erforderlich?

In diesem Sinne hat der Apgar Test wohl schon vielen Neugeborenen das Leben gerettet. Er wurde zu Beginn der 1960er Jahre auch in Europa eingeführt und wird von der Hebamme bzw. der Ärztin/dem Arzt durchgeführt, die bei der Geburt anwesend sind. 

Was sagt das Ergebnis des Agpar Tests aus?

Die Werte des Abgar Tests zeigen also eine Momentaufnahme des kindlichen Gesundheitszustands unmittelbar nach der Geburt. Bei Frühchen  sind sie jedoch nur bedingt oder gar nicht aussagekräftig. Denn je nach Schwangerschaftswoche, in der die Winzlinge zur Welt kommen, sind sie meist noch nicht voll ausgereift.

Aber auch wenn dein Baby termingerecht geboren wurde, machst du dir vielleicht Sorgen, weil es nicht die volle Punktzahl (dreimal 10) beim Apgar Test erreicht hat. Ich kann dich jedoch beruhigen: Den maximalen Wert von dreimal 10 Punkten erhalten sowieso nur die wenigsten Neugeborenen. Weil bei den meisten bei der ersten Untersuchung eine Minute nach der Geburt beispielsweise die Haut noch etwas bläulich schimmert, wird schon allein deshalb ein Punkt abgezogen. Und auch wenn die Mutter unter der Geburt Schmerzmittel erhalten hat, können die Apgar-Werte beim Baby etwas niedriger ausfallen.

Die meisten Kinder erreichen beim ersten Testzeitpunkt (eine Minute nach Geburt) mindestens sieben Punkte. Dann geht es ihnen gut. Bei sehr vielen Kindern steigern sich die Apgar-Werte, weil das Baby nach fünf bzw. zehn Minuten schon ein ordentliches Stück Anpassung geschafft hat. So sind Ergebnisse wie 7-8-9 oder 8-9-9 oder 7-9-10 keine Seltenheit. Gerade eine solche Punkteentwicklung nach oben zeigt, dass das Kind keine Unterstützung benötigt und selbständig gut zurechtkommt. Im Übrigen gilt: Neugeborene dürfen sich mit der Anpassung ruhig Zeit lassen, sofern sich die Apgar-Werte beim dritten Testdurchgang im „grünen Bereich“ sind. 

Anders sieht das möglicherweise bei Werten unter sieben Punkten aus.

Der Apgar Test im Einzelnen:

9-10 Punkte:

Dem Baby geht es ausgezeichnet. Sein Zustand wird von der Geburtshilfe als „optimal und frisch“ bezeichnet. Falls erforderlich, so wird jetzt lediglich noch Schleim oder Fruchtwasser beim Kind abgesaugt.

7-8 Punkte:

Das Kind gilt in der fachlichen Definition als „normal lebensfrisch“: Es zeigt deutliche Vitalfunktionen und ist in einem guten gesundheitlichen Zustand.

5-6 Punkte:

Bei diesen Werten spricht die Geburtshilfe von einem „leichten Depressionszustand“. Möglicherweise braucht das Kind jetzt eine kleine „Starthilfe“, damit seine Atmung, die Reflexe und der Kreislauf vitaler werden. Eine intensivere Überwachung ist jedenfalls sinnvoll. 

3-4 Punkte:

Diese Werte werden fachlich als „mittlerer Depressionszustand“ bezeichnet. Diese Grad einer Anpassungsstörung führt oft zur Unterstützung fürs Kind, etwa in Form von kurzfristiger Sauerstoffgabe über eine Atemmaske. Das soll dem Baby helfen, selbstständig zu atmen und eine rosige Haut zu bekommen. Eventuell wird das Kind auch in ein Wärmebettchen gelegt.

0-2 Punkte:

Das Baby ist in einer kritischen Verfassung. Bei diesen Apgar-Werten wird von „schwerem Depressionszustand“ gesprochen. Das bedeutet unverzüglich lebensnotwendige Maßnahmen wie Beatmung, Herzmassage oder Medikamentengabe – oder eine Kombination daraus. 

Der Apgar-Test ist im Leben deines Kindes die erste Untersuchung sowie Teil der sogenannten U1. Diese erfolgt in den ersten 30 Lebensminuten des Babys und beinhaltet weitere Untersuchungen.

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Katharina Jeschke

Katharina Jeschke

Gründerin von elternundbaby.com und Hebamme, zertifizierte Erste Hilfe Trainerin, zertifizierte Schlafcaochin für Babys und Kinder

Als Hebamme, Schlafcoachin für Babys und Kinder, sowie als Erste Hilfe Trainerin  unterstütze ich Frauen und Eltern dabei Schwangerschaft, Geburt und die Zeit als Eltern gut und entspannt zu gestalten. Ich bin selbst Mama von zwei bezaubernden Kindern.

Kinder sollen sicher und geborgen wachsen können. Dafür brauchen sie starke Eltern, die mit Wissen und Intuition die Entwicklung ihrer Kinder begleiten. Meine Hebammenhilfe soll Eltern das Wissen und Vertrauen geben, das sie ihren individuellen Weg finden und gehen können.

Dieser Blog elternundbaby.com ergänzt meine online Hebammensprechstunde und meine online Kurse von notdiensthebamme.de