Ich erinnere mich noch gut an die frischgebackene Mutter, die bei ihrem neugeborenen Töchterchen einen zarten, farblosen, aber deutlich sichtbaren Haarflaum auf der Haut im linken Schulterbereich entdeckte. Verunsichert fragte sie mich, was das denn zu bedeuten hätte. Ich konnte sie beruhigen: Der Flaum war noch ein Rest des sogenannten Lanugohaars. Dieses entwickelt sich auf der Haut des Ungeborenen während der Schwangerschaft und verliert sich weitgehend wieder, wenn es auf die Geburt zugeht.
Das Lanugohaar wird manchmal auch „Fetalhaarkleid“ genannt. Dabei handelt es sich tatsächlich um ein Millionen Jahre altes Erbe. Genauer gesagt stammt der Haarflaum noch aus jener Zeit, in der Affen und Menschen noch gemeinsame haarige Vorfahren hatten. Aus diesen entwickelten sich dann in zwei getrennten Linien der weiterhin behaarte (Menschen)Affe und der eher haarlose Mensch.
Aber nicht nur beim neugeborenen Menschlein sind manchmal noch Reste der Lanugobehaarung zu sehen – sie lassen sich auch bei manch anderen Säugetier-Babys erkennen. Zum Beispiel bei Elefanten. Vielleicht hast auch du schon ein Elefantenkalb mit einer lustigen „Frisur“ auf seinem Kopf beobachtet: Das sind seine übrig gebliebenen Lagunohaare.
Was hat es mit diesem besonderen Haarkleid eigentlich auf sich?
Das Lanugohaar kommt, schützt und geht wieder
Die Lanugobehaarung sprießt dem ungeborenen Kind im zweiten Schwangerschaftsdrittel (etwa zwischen 13. und 17. Schwangerschaftswoche) aus der noch durchscheinenden Haut. Der zarte Haarflaum bedeckt bald den gesamten kleinen Körper. Die Härchen enthalten keine Farbpigmente, sind also farblos.
Der Begriff leitet sich übrigens vom lateinischen Wort „Lana“ für Wolle ab. Klingt nach kuscheliger Wärme. Oder? Das kommt nicht von ungefähr, denn Lagunohaar verleiht dem Fötus tatsächlich eine gute Wärmeisolierung. Außerdem sorgt das „Wollhaar“ dafür, dass ankommende Schallwellen und Vibrationen gedämpft werden. Es hat aber noch eine weitere wichtige Funktion im Zusammenspiel mit der wasserundurchlässigen Käseschmiere, die sichab der 14. Schwangerschaftswoche nach und nach ebenfalls auf der Haut des Fötus bildet. Zusammen harmoniert beides wunderbar miteinander, denn durch das Lagunohaar haftet die Käseschmiere besser am Körper des Ungeborenen. Auch diese Weise wird die extrem dünne und empfindliche Haut des Kindes sozusagen in bester Teamarbeit davor geschützt, im Fruchtwasser aufzuweichen.
Etwa zwischen der 30. und 32. Schwangerschaftswoche fällt der schützende Haarflaum – zusammen mit einiger Käseschmiere – wieder aus. Denn das Ungeborenen besitzt nun deutlich mehr eigenes Unterhautfettgewebe und ist daher nicht mehr so sehr auf den Schutzfilm aus Käseschmiere und Lanugo-Behaarung angewiesen. Bei den meisten Kindern ist die zarte Körperbehaarung zum Zeitpunkt der Geburt komplett verschwunden. Bei einigen Babys wie bei jenem der von mir betreuten Mutter sind noch ein paar Reste sichtbar. In dem Fall kannst du sie üblicherweise am Köpfchen, an den Schultern oder im unteren Rückenbereich entdecken. Das ist jedoch überhaupt kein Problem: Bald nach der Geburt verschwinden diese Reste einfach von allein.
Anhand der Lanugo-Behaarung lässt sich auch der Reifegrad eines Neugeborenen beurteilen. Das heißt: Je weniger Haarflaum zu erkennen ist, desto reifer ist es. Entsprechend besitzen Frühgeborene häufig noch eine stärkere Behaarung. Gut so, denn sie hilft ihnen weiterhin, ihre Körperwärme zu halten, weil kleinen „Frühstarter*innen“ noch die schützende Fettschicht fehlt.
Es hilft auch dem Darm
Aber was passiert eigentlich mit den Wollhärchen, die dem Ungeborenen in deinem Bauch ausfallen? Nun, sie schwimmen dann natürlich im Fruchtwasser. Und da das Ungeborene bereits ab der 14. Schwangerschaftswoche vom Fruchtwasser trinkt, nimmt es damit auch Lanugohaare auf. Das mag in deiner Vorstellung jetzt etwas unappetitlich klingen. Aber erstens ist das für dein Kind völlig ungefährlich – und zweitens möglicherweise sogar von gutem Nutzen. Denn es wird vermutet, dass das in den Lanugohaaren enthaltene Keratin (ein Faserprotein) die Darmtätigkeit des Fötus anregt. Auf diese Weise wird letztlich auch die Bildung des sogenannten Kindspechs (Mekonium) begünstigt. Das ist der erste Stuhlgang eines Neugeborenen kurz nach der Geburt, mit dem es neben Hautzellen und bestimmte Körpersekrete auch Lanugohaare ausscheidet.
Übrigens: Auch bei Erwachsenen kann sich unter gewissen Bedingungen erneut eine schützende Lanugo-Behaarung bilden, und zwar vornehmlich an Armen und Rücken sowie im Gesicht. Davon sind meistens Menschen mit extrem niedrigem Körpergewicht betroffen, die von dieser natürlichen Schutzmaßnahme des Körpers vor (zu) hohem Wärmeverlust profitieren. Häufig betroffen sind Menschen mit Magersucht oder bösartigen Krebstumoren, denen Fettgewebe fehlt. Dann versucht der Körper, den Kälteschutz durch das Wachstum der Lanugohaare herzustellen. In anderen Fällen kann es durch die Einnahme bestimmter Medikamente zur Produktion von Wollhaaren kommen. Dann handelt nicht um eine Schutzmaßnahme des Körpers, sondern um eine Nebenwirkung des Medikaments.
Allgemeine Informationen zur Entwicklung von Babys Haaren findest du hier auf meinem Blog.
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Katharina Jeschke
Gründerin von elternundbaby.com und Hebamme, zertifizierte Erste Hilfe Trainerin, zertifizierte Schlafcaochin für Babys und Kinder
Als Hebamme, Schlafcoachin für Babys und Kinder, sowie als Erste Hilfe Trainerin unterstütze ich Frauen und Eltern dabei Schwangerschaft, Geburt und die Zeit als Eltern gut und entspannt zu gestalten. Ich bin selbst Mama von zwei bezaubernden Kindern.
Kinder sollen sicher und geborgen wachsen können. Dafür brauchen sie starke Eltern, die mit Wissen und Intuition die Entwicklung ihrer Kinder begleiten. Meine Hebammenhilfe soll Eltern das Wissen und Vertrauen geben, das sie ihren individuellen Weg finden und gehen können.
Dieser Blog elternundbaby.com ergänzt meine online Hebammensprechstunde und meine online Kurse von notdiensthebamme.de