Jennifer ist in der 14 Schwangerschaftswoche und streckt ihrer Hebamme stolz ihre rechte Hand entgegen. Dort prangt seit kurzem ein Ehering. „Wir haben geheiratet!“ Kurze Zeit später ist der Ring schon wieder verschwunden – aber nicht etwa, weil es mit Jennifers Ehe schon wieder vorbei wäre. Nein, schnöde, aber lästige Wassereinlagerungen an ihren Händen sind daran schuld, dass der Ring so rasch wieder heruntermusste!
Wassereinlagerungen (Ödeme) in der Schwangerschaft kommen an den Händen, insbesondere aber in den Beinen und Füßen ausgesprochen häufig vor. Plötzlich schnürt der Ring den dick gewordenen Finger ein, sozusagen von einem Tag auf den anderen passen die Lieblingsschuhe den geschwollenen Füßen nicht mehr, und die Söckchen hinterlassen an den Rändern Kerben an den Beinen. Rund zwei Drittel aller Schwangeren ergeht es so. Im Prinzip ist das jedoch kein Grund zur Sorge, denn diese „Erscheinungen“ haben ihren Grund. Sie sind auf das Zusammenspiel verschiedene Faktoren zurückzuführen, die mit den körperlichen Veränderungen während der Schwangerschaft auftreten.
Wie entstehen Ödeme in der Schwangerschaft?
Ganz kurz auf den Punkt gebracht hängt die Entstehung von Wassereinlagerungen in der Schwangerschaft hauptsächlich mit den hormonellen Veränderungen, einem erhöhten Blutvolumen und dem Wachstum der Gebärmutter zusammen.
Hormonelle Veränderungen: Ja, eine Portion „Schuld“ tragen mal wieder die Hormone. Zu nennen ist hier z.B. das Progesteron, das nicht nur die Muskulatur lockert, sondern durch das sich auch deine Blutgefäße weiten und durchlässiger werden. Dadurch kann im Blut enthaltene Flüssigkeit leichter austreten und in die Zwischenräume des umliegenden Gewebes gelangen. Im dritten Trimester redet auch das Hormon Relaxin bei den Vorgängen verstärkt ein Wörtchen mit. Um den Körper auf die Geburt vorzubereiten, bewirkt es die Lockerung der Bänder und Gelenke, was ebenfalls die Ansammlung von Flüssigkeit in den Geweben begünstigt.
Erhöhtes Blutvolumen: Im Verlauf der Schwangerschaft erhöht sich das Blutvolumen im Körper einer schwangeren Frau um etwa 40 %. So stellt die Natur sicher, dass das in der Gebärmutter heranwachsende Kind stets gut mit allen nötigen Nährstoffen sowie Sauerstoff versorgt ist. Jetzt können wir hochrechnen: Wenn durch den geringeren Widerstand der Blutgefäße die Flüssigkeit leichter austreten kann und sowieso mehr Blut im Körper vorhanden ist, dann kann sich auch Flüssigkeit vermehrt in umliegenden Geweben ansammeln.
Gewicht der Gebärmutter: Mit dem zunehmenden Wachstum des Fötus kann die Gebärmutter stärker auf die Blutgefäße im Beckenbereich drücken. Wenn das Blut von dort jedoch langsamer abfließt und einen „Stau“ in den Beinvenen verursacht, kann auch mehr Flüssigkeit in die Gewebezwischenräume gelangen und in den Beinen und Füßen – vorzugsweise rund um den Knöchel – Schwellungen verursachen. Erschwerend hinzu tritt, dass auch die sogenannte Wadenpumpe, die das venöse Blut nach oben transportiert, in der Schwangerschaft weniger aktiv ist. Auch das führt zu verlangsamtem Blutfluss und in der Folge zu höheren Flüssigkeitsansammlungen im umliegenden Gewebe.
Wie zeigen sich harmlose Ödeme in der Schwangerschaft?
Im Idealfall nimmt eine Frau, die ohne nennenswertes Über- oder Untergewicht schwanger wird, bis zur Geburt ihres Kindes zwischen 10 und 16 Kilogramm zu. Davon entfallen allein auf Wassereinlagerungen im Gewebe schon 2 bis 2,5 Kilogramm.
Doch wie gesagt: Ödeme in der Schwangerschaft sind in der Regel harmlos, aber durchaus lästig. Sehr wenige Frauen registrieren Wassereinlagerungen schon ab der früheren Schwangerschaft. Sprich mit deiner Hebamme oder deiner Ärztin/deinem Arzt darüber, damit du sicher sein kannst, dass nichts Problematisches dahintersteckt.
Bei den allermeisten Betroffenen treten die Ödeme mit fortschreitenden Wochen ab der zweiten Schwangerschaftshälfte und vermehrt im dritten Trimester auf. In der Regel sammelt sich die Flüssigkeit dabei in den Händen, Beinen und Füßen, was auch der Schwerkraft geschuldet ist: Sie hält das Wasser „unten“. Mitunter können dezente Wassereinlagerungen auch das Gesicht etwas „voller“ erscheinen lassen.
Du kannst ein Ödem z.B. an den Füßen selbst feststellen, und zwar daran,
• dass die Haut an der Stelle spannt, aufgedunsen ist und sich ggf. leicht nach außen wölbt.
• dass die betroffene Stelle für ein paar Sekunden eine Delle bekommt, wenn du darauf drückst, weil die Flüssigkeit im Gewebe zur Seite ausweicht.
Hast du beispielsweise rund um den Fußknöchel Wassereinlagerungen, so können sie am Fußgelenk schmerzen und auch deine Beweglichkeit einschränken. Das gilt für alle Ödeme im Bereich von Gelenken.
Zudem solltest du wissen, dass Wassereinlagerungen bei sommerlichen Temperaturen stärker werden können, weil Wärme die Blutgefäße zusätzlich weitet. Und wundere dich auch nicht, wenn deine Beine bzw. Füße zum Abend hin stärker geschwollen sind als am Morgen.
Die gute Nachricht lautet: Schwangerschaftsbedingte harmlose Ödeme verschwinden nach der Geburt auf natürlichem Wege im Prozess der Rückbildung und Regeneration ganz von allein. Bei manchen Frauen kann das eine kleine Weile dauert, aber es funktioniert immer!
Was tun gegen geschwollene Beine bzw. Füße in der Schwangerschaft?
Wenn Ödeme bei dir auftreten, wirst du sie nicht gänzlich beseitigen können. Aber du kannst trotzdem eine ganze Menge dazu beitragen, sie zu lindern bzw. einzudämmen oder ihnen vorzubeugen. Die meisten der folgenden Tipps gegen Wassereinlagerungen basieren darauf, dass sie den Blutfluss aktivieren bzw. unterstützen:
• Das Allerwichtigste: Viel trinken! Und zwar bei vorhandenen Ödemen wie zu ihrer Vorbeugung. Es mag dir auf den ersten Blick paradox vorkommen, dass Schwangere bei geschwollenen Beinen und Füßen oder zur Prävention aufgefordert werden, möglichst viel (stilles) Wasser oder ungesüßten Tee zu trinken. Aber das ist tatsächlich wichtig, um den Stoffwechsel anzukurbeln und auf diese Weise Schwellungen zu reduzieren. Bei stetig ausreichender Flüssigkeitszufuhr kommt der Körper auch gar nicht erst auf die Idee, Wasser in den Geweben zurückzuhalten, damit immer genügend für wichtige Abläufe zur Verfügung steht. Zudem hilfst du deinem Körper durch die regelmäßige Flüssigkeitsaufnahme, sich von überschüssigem Wasser zu befreien (also auch Ödeme abzubauen) sowie Schadstoffe auszuscheiden.
Aus gleichen Gründen solltest du einen großen Bogen um alle Wasser ausschwemmenden Medikamente, Nahrungsmittel, Tees und „Reistage“ machen. Damit verschlimmerst du das Problem nämlich nur.
• Außerdem: Gesunde Ernährung! Wie diese in der Schwangerschaft aussehen sollte, kannst du hier auf meinem Blog nachlesen.
• Und dazu: Regelmäßige Bewegung! Ich weiß – im zweiten Trimester der Schwangerschaft fällt dir das vielleicht noch leicht, aber im dritten Drittel schränkt der wachsende Bauch die Beweglichkeit immer mehr ein. Und trotzdem solltest du dir klarmachen, dass langes Stehen, Sitzen und Liegen die Ödembildung begünstigt, weil der Blutkreislauf dann nicht in Schwung ist und überschüssige Flüssigkeit aus den Gewebezwischenräumen nur sehr träge abtransportieren kann. Also schau einfach, welche Bewegungsformen dir Spaß machen und schwimme, walke, tanze oder spaziere munter drauflos – am besten jeden Tag. Dazwischen ist es wichtig, dass du Ruhepausen einlegst, bei denen du dich entspannen kannst. Lege dich dafür am besten auf die linke Seite.
Das sind erstmal drei ganz wichtige Maßnahmen. Darüber hinaus kannst du noch Folgendes tun:
• Wechselduschen: Warm – kalt/kühl– warm – kalt/kühl, das kurbelt den Blutfluss an und lindert die Beschwerden. Ganz wichtig dabei: Immer mit kaltem Wasser das Wechselduschen beenden.
• Ein Fußbad nehmen: Gebe dafür in lauwarmes Wasser etwas Meersalz hinein.
• Die Beine mehrmals am Tag für ein gutes Viertelstündchen hochlegen: Vor allem, wenn du länger gesessen und gestanden hast oder gegangen bist. Damit förderst du den Rücktransport des Wassers „nach oben“ Richtung Herz.
• Im zweiten Trimester kannst du nachts mit leicht erhöhten Beinen schlafen: Schiebe dir aus dem eben genannten Grund zum Beispiel ein Stillkissen unter die Beine. Ab dem dritten Trimester ist es am besten, wenn du auf der linken Seite schläfst. Dein Stillkissen kann dir dann eine gute Lagerungshilfe für das obere Bein sein.
• Die Beine mit sanftem Druck ausstreichen oder bürsten: Und zwar immer Richtung Herz von unten nach oben, das fördert den Rückfluss des Blutes aus den Beinen.
- Mehr Salz zu dir nehmen: Salz spendiert dem Körper wichtige Elektrolyte und hilft, das Wasser in den Blutgefäßen zu halten und so Ödeme zu minimieren. Gönne dir einfach zur normalen täglichen Salzzufuhr einen Extralöffel Salz am Tag. Und ernähre dich auf keinen Fall mit salzarmer Kost!
- Eiweißreiche Kost essen: Proteinreiche Ernährung hilft der Niere, Wasser aus deinem Körper auszuscheiden.
• Kompressionsstrümpfe tragen: Sie helfen deiner Wadenpumpe bei der Arbeit. Wenn du also viel stehen musst oder unter den Ödemen in Beinen bzw. Füßen leidest, kann dir deine Ärztin/dein Arzt Kompressionsstrümpfe verschreiben, die dann an dich angepasst werden (Apotheke, Sanitätshaus).
• Lymphdrainage verschreiben lassen: Sie kann von dafür eigens zertifizierten Physiotherapeut*innen vorgenommen werden, wenn die Ödeme zu starker Belastung führen.
• Gymnastik für die Zehen und Finger treiben: Die Füße bzw. Hände nach links und rechts kreisen lassen, die Zehen zum Schienbein, die Finger zum Handgelenk abwechselnd hochziehen und wieder entspannen. Zehen und Finger spreizen und entspannen etc.
• Quarkwickel auflegen: Schlage etwas Quark in ein Baumwolltuch ein und lege das auf deine geschwollenen Stellen. Quark nimmt die Hitze, kühlt und wirkt abschwellend.
• Lockere Kleidung und passende Schuhe tragen: Alles, was dich einengt, kann den Blutfluss behindern. Auch Fingerringe oder Fußkettchen, enge Klamotten, Söckchen und Schuhe! Deshalb: Gönne dir Bequemlichkeit und einen legeren Look!
• Hitze meiden: Halte dich bei sommerlichen Temperaturen im Schatten bzw. in kühlen Räumen auf.
Viele Schwangere schwören bei harmlosen Ödemen auch auf Schüssler-Salze oder homöopathische Mittel. Lass dich dazu von deiner Hebamme fachlich beraten.
Wann mit Ödemen ärztlichen Rat suchen?
In manchen Fällen sind Wassereinlagerungen jedoch nicht harmlos, sondern können eine ernsthafte Erkrankung anzeigen, beispielsweise die schwangerschaftsbedingte Präeklampsie oder eine Thrombose. Deshalb solltest du mit Ödemen deine Ärztin bzw. deinen Arzt oder eine Klinik aufsuchen, wenn du folgende verdächtige Symptome einzeln oder als Kombination feststellst:
• rasche und starke Gewichtszunahme (im dritten Trimester mehr als 1 kg pro Woche)
• rasche Vermehrung der Ödeme in vielen Körperregionen
• starke Anschwellungen, auch im Gesicht
• erhöhter Blutdruck
• Kopfschmerzen besonders im Bereich der Stirn oder Schmerzen im Oberbauch
• Augenflimmern/Sehstörungen
• Übelkeit/Erbrechen
• plötzliches einseitiges Anschwellen eines Unterschenkels oder ganzen Beines, möglicherweise begleitet von Schmerzen oder Rötungen
In allen diesen Fällen wird deine Ärztin bzw. dein Arzt wissen, was zu tun ist und wie dir und dem Kind geholfen werden kann. Sollte der Verdacht oder die Diagnose einer ernsthaften Erkrankung bestehen, so kann das auch zu einem stationären Aufenthalt im Krankenhaus führen.
Und ganz wichtig: Schwangere Frauen sollten bei Ödemen niemals auf eigene Faust Medikamente einnehmen, ohne vorher mit ihrem Arzt/ihrer Ärztin oder der Hebamme zu sprechen!
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Autorenbox
Katharina Jeschke
Gründerin von elternundbaby.com und Hebamme
Als Geburtshausleiterin, Hebamme und Mutter unterstütze ich Frauen dabei ihre Herausforderung während, vor und nach der Schwangerschaft besser zu bewältigen.
Um noch mehr Frauen zu erreichen, startete ich elternundbaby.com. Ich freue mich darauf, dich hier begrüßen zu dürfen.