Wenn ein Baby wach ist, möchte es kuscheln und Mamas oder Papas Nähe spüren. Am liebsten ganz nah am Körper der Eltern. Mütter und Väter spüren das intuitiv und tragen ihr Kind deshalb viel.
Bestimmt ist dir schon aufgefallen, dass dein Baby reflexhaft seine Beinchen anzieht und Körperspannung aufbaut, wenn du es hochhebst. Dieses sogenannte „Anhocken“ ist ein evolutionäres Erbe. Damit bereitet sich dein Kind darauf vor, getragen zu werden. In der Verhaltensforschung bezeichnet man Säuglinge auch als „Traglinge“, denn seit Beginn der Menschheitsgeschichte wurden Babys getragen. Auf diese Weise hatten die Mütter ihre Kinder stets bei sich – auch zum Stillen. Und konnten trotzdem ihrem Tagewerk nachgehen.
Erst im 19. Jahrhundert war das Verhältnis von Eltern und Kind eher von Distanz geprägt, insbesondere im wohlhabenden Bürgertum. Kein Wunder, dass diese „neumodische“ Entwicklung zur Erfindung des Kinderwagens führte.
Mittlerweile finden immer mehr Eltern wieder Gefallen daran, ihr Baby zu tragen. Dabei ist es heute keine Entweder-oder-Frage mehr, ob du einen Kinderwagen oder eine Tragehilfe benutzen möchtest. Beide „Transportsysteme“ können sich gegenseitig gut ergänzen.
An dieser Stelle möchte ich auch gleich eventuelle Bedenken zerstreuen, ob Eltern ihr Kind möglicherweise „verwöhnen“, wenn sie es viel tragen. Die Antwort darauf lautet eindeutig: Nein! Euer Baby ist auf eure liebevolle Zuwendung, körperliche Nähe und euer unverzügliches Beantworten seiner Bedürfnisse angewiesen, um zu überleben. In diesem Sinne kann man Babys gar nicht „verwöhnen“.
Wenn es darum geht, das Baby auf dem Arm zu tragen, möchte ich euch auch von einem interessanten Ergebnis aus den vergangenen 60 Jahren Forschung berichten: Über zwei Drittel der Frauen und Männer tragen ihr Kind bevorzugt auf dem linken Arm. Von den Frauen sind es sogar rund drei Viertel. Über die genauen Gründe dafür wird noch spekuliert.

Tragen? Ja bitte!
Säuglinge sind nicht nur von der Natur darauf gut „vorbereitet“, getragen zu werden, und genießen das auch, sondern haben dadurch auch verschiedene Vorteile. Darüber hinaus profitieren auch die Eltern davon, ihr Baby körpernah bei sich zu haben. Schauen wir uns also mal, was das Tragen bewirkt.
Bonding: Vor allem in den ersten Lebenstagen und -wochen des Neugeborenen wird das Bonding gefördert, wenn Mütter und Väter ihr Baby viel im Arm halten bzw. tragen. So sind sie ihrem Kind nah und können es immer besser kennenlernen. Diese Nähe ermöglicht es Müttern und Vätern auch, die Signale ihres Kindes leichter zu erkennen, zu verstehen und zu beantworten. Das fördert ihre zunehmende Sicherheit im Umgang mit ihrem Baby. Letztlich wird so also auch die Eltern-Kind-Bindung intensiviert und gefestigt.
Geborgenheit: Gleichzeitig empfindet das Baby auf Mamas oder Papas Armen unmittelbar ihre Wärme. Dadurch fühlt es sich geborgen und sicher und kann sich leichter entspannen. Ein schöner Nebeneffekt: Auch Blähungen wird das Kind auf diese Weise leichter los!
Und auch wenn das Kind weint und von den Eltern auf den Arm genommen und getragen wird, spürt und lernt es rasch: Mama und Papa sind verlässlich da, wenn ich weine. Sie geben mir liebevollen Zuspruch und tröstliche Nähe. Das stärkt das Urvertrauen des Kindes ungemein!
Entwicklungsanreize: Während du dein Kind trägst, bist du ständig in Bewegung.Wunderbar – jede deiner Bewegungen schult die Bewegungs- und Gleichgewichtsorgane des Kindes und stimulieren es stets zu kleinen Gegenbewegungen.
Insgesamt schärft das Tragen alle Sinne des Kindes und seine Wahrnehmung. Das wiederum fördert die Entwicklung seines Gehirns. Dessen Areale können sich durch die vielen sinnlichen Impulse nämlich besser strukturieren und vernetzen.
Weniger Weinen: Verschiedene Studien haben bereits bestätigt, dass Babys, die viel getragen werden, weniger schreien, weniger unruhig sind und weniger Anpassungsschwierigkeiten nach der Geburt haben. Ein Forschungsteam kam auch zu dem Ergebnis, dass weinende Babys am effektivsten beruhigt werden können, wenn sie auf dem Arm getragen werden und Mama oder Papa dabei umhergehen. Viele Eltern machen das intuitiv so, schon weil das Kind in der Gehbewegung leichter sanft „geschunkeln“ werden kann als im Stehen oder Sitzen.
Prävention: Für das getragene Baby auf deinem Arm ist es optimal, wenn es dabei seine Beinchen anziehen („anhocken“) und spreizen kann. Das unterstützt die Hüftentwicklung des Kindes und kann einer Fehlstellung der Hüftgelenkpfanne (Hüftdysplasie) vorbeugen. Außerdem wirkt häufiges Tragen des Babys einem sogenannten Schiefkopf entgegen. Wenn Säuglinge viel liegen, kann es nämlich passieren, dass sich ihr Hinterkopf mit seinen noch sehr weichen Schädelplatten ein- oder beidseitig verformt und abflacht (lagerungsbedingte Plagiozephalie bzw. Brachyzephalie).
Auch in vielen Alltagssituationen empfinden es viele Eltern als einfacher, ihr Kind im Tragetuch oder einer anderen Tragevorrichtung dabei zu haben, weil sie dann die Hände frei haben. Das kann beispielsweise beim Einkaufen sein, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder auch zu Hause.
Tragen – aber wie?
Unabhängig davon, ob du dein Kind in einem Tuch oder einer Trage trägst, muss jedes Tragesystem folgende Anforderungen erfüllen:
• Vor allem in seinen ersten Lebensmonaten sollte dein Kind auf jeden Fall Blickkontakt mit dir haben können. Das heißt: Transportiere dein Baby so in Tuch oder Trage, dass sein Gesicht zu dir gewandt ist. Der Augenkontakt zu den Eltern ist für Babys enorm wichtig. Schon damit sie leichter lernen können, die Gefühle ihres Gegenübers zu deuten und dessen Sprache aufzunehmen. Außerdem gibt das vertraute Gesicht von Mutter oder Vater dem Kind mehr Sicherheit in der „Welt da draußen“, die für das Baby voller neuer Reize und Eindrücken steckt. Hinzu tritt, dass Säuglinge in der Distanz von etwa 30 cm am schärfsten sehen können. Und das ist beim Tragen etwa der Abstand zwischen deinem Gesicht und dem deines Kindes.
• Beim Babytragen ist die anatomisch beste „Sitzhaltung“ für dein Kind wichtig. Es sollte die Anhock-Spreiz-Haltung, auch „M-Haltung“ genannt, einnehmen. Das heißt: Die Beinchen sind angehockt und nach außen abgespreizt, die Knie befinden sich etwa auf seiner Bauchnabelhöhe und der Po etwas tiefer. Dabei kippt Babys Hüfte ein wenig nach vorne ab und sein Rücken wird rund. Für diese Haltung muss der Tragesteg zwischen den Beinen deines Säuglings breit genug sein.
Wenn dein Baby etwas älter ist, kann es sein, dass es die dir zugewandte Form des Tragens nicht mehr so mag. Das wirst du an der Reaktion des Kindes rasch bemerken. Meistens lehnen die Kinder dann aber nicht das Tragen an sich ab, sondern mögen lediglich die „Elternbrust-an-Babybauch“-Position nicht mehr. Der Grund: Sie schränkt das Sichtfeld des Kindes natürlich ein. Wenn aber mehr und mehr die Neugier des Kindes an seiner Umwelt erwacht, möchte es auch mehr sehen. Dann kannst du einfach mal ausprobieren, ob dein Baby es nun bevorzugt, auf deiner Hüfte getragen zu werden.
Dein Kind sollte für diese Trageform schon etwas älter sein (ca. ein halbes Jahr) und vor allem sein Köpfchen stabil selbst halten können. Eine Alternative zur „Elternbrust-an-Babyrücken-Position“ ist auch, das Kind auf deinem Rücken zu tragen.
Tragen – womit denn?
Tragehilfen gibt es in allen möglichen Designs, die Auswahl ist mittlerweile wirklich groß. Tragetücher unterscheiden sich in Längen, Materialien und auch in der Verarbeitungsqualität. Babytragen gibt es zum Binden, mit Schnallen oder beides kombiniert.
Was zu dir bzw. zu euch und eurem Kind am besten passt, müsst ihr selbst herausfinden.Lasst euch dabei ruhig beraten und hört euch auch um, welche Erfahrungen anderer Eltern gemacht haben. Ich habe bei den von mir betreuten Familien beobachtet, dass viele Mütter tendenziell eher ein Tragetuch bevorzugen, während so mancher Vater gerne zur Trage greift. Letztlich bleibt es euch überlassen, was für euch praktischer ist oder womit ihr besser zurechtkommt.
Tipp: Immer mehr Geschäfte bieten auch Tragehilfen zum Kauf an, die man nach einer „Probezeit“ z.B. von einem Monat bei Nichtgefallen wieder zurückgeben kann. Teilweise kann man die „Testphase“ gegen eine Gebühr sogar verlängern. Manche Läden ziehen dann bei Rückgabe eine kleine „Nutzungsgebühr“ von der Erstattung des Kaufpreises ab.
Babytrage: Die verschiedenen Modelle lassen sich unkompliziert anlegen. Einige sind so konstruiert, dass das Gewicht des Kindes angenehm auf dem Becken der Trägerin/des Trägers liegt, also nicht auf den Schultern. Bei Größenunterschieden der unterschiedlichen Benutzer*innen lassen sich Babytragen fix anpassen. Wenn also der Vater beispielsweise größer ist als die Mutter, lässt sich die Trage entsprechend unterschiedlich einstellen.
Tipp: Achte beim Kauf auf ein für dich rückenfreundliches Modell mit guter Polsterung. Für das Baby ist eine Kopfstütze wichtig. Vielleicht es so jung, dass sein Köpfchen noch Unterstützung benötigt, oder es schläft unterwegs ein. Auch dann soll der Kopf ja auch nicht zur Seite wegknicken.
Tragetuch: Mit einer Länge zwischen etwa vier und fünf Metern bei circa 60 cm Breite hat man schon eine ganze Menge Stoff, der „verarbeitet“ werden muss. Doch die Erfahrung zeigt, dass Eltern bestimmte Bindetechniken meist schnell erlernen und damit gut zurechtkommen. Eure Hebamme kann euch zeigen, wie das Binden funktioniert. Auch im Internet findet ihr Anleitungen dazu.
Da der Tuchstoff relativ dünn ist, kannst du dein Baby im Tragetuch bei kalten Temperaturen im Winter auch gut unter deiner Jacke oder dem Mantel tragen.
Tipp: Für Frühchen ist ein Tragetuch die bessere Wahl. Die Winzlinge sind nämlich oft schlicht noch zu klein, um „richtig“ in eine andere Tragehilfe zu passen.
Tragen – aber rückenfreundlich
Auch der Körper von Mutter oder Vater muss sich erst daran gewöhnen, das zusätzliche Gewicht des Babys zu tragen. So kann es sein, dass anfangs der Rücken schmerzt oder sich ein Muskelkater bemerkbar macht. Je kleiner euer Baby ist, wenn ihr mit dem Tragen beginnt, desto weniger zusätzliches Gewicht muss euer Körper „verkraften“. Wenn das Kind dann wächst und schwerer wird, werden auch eure Muskeln entsprechend mittrainiert.
Auch größere Kinder lieben es, getragen zu werden. Ganz besonders bei längeren Ausflügen und Wanderungen durch das Gelände ist eine ergonomische Trage für dich – aber auch für dein Kind eine wertvolle Unterstützung. Ausgestattet mit einem Sonnenschutz für dein Kind ist es für die Wanderung bestens vorbereitet.
Tipp: Nehmt euch am Anfang keine langen Touren vor, sondern steigert die Tragezeit langsam. Ihr könnt damit in der Wohnung beginnen, bevor es zu einem ersten (kurzen) Ausflug nach draußen geht.
Für Fragen rund ums Tragen eures Babys könnt ihr euch gerne an Hebamme Katharina wenden. Sie berät dich in ihrer online-Hebammensprechstunde zu der für dich besten Möglichkeit, dein Baby zu tragen.

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Katharina Jeschke
Gründerin von elternundbaby.com und Hebamme, zertifizierte Erste Hilfe Trainerin, zertifizierte Schlafcaochin für Babys und Kinder
Als Hebamme, Schlafcoachin für Babys und Kinder, sowie als Erste Hilfe Trainerin unterstütze ich Frauen und Eltern dabei Schwangerschaft, Geburt und die Zeit als Eltern gut und entspannt zu gestalten. Ich bin selbst Mama von zwei bezaubernden Kindern.
Kinder sollen sicher und geborgen wachsen können. Dafür brauchen sie starke Eltern, die mit Wissen und Intuition die Entwicklung ihrer Kinder begleiten. Meine Hebammenhilfe soll Eltern das Wissen und Vertrauen geben, das sie ihren individuellen Weg finden und gehen können.
Dieser Blog elternundbaby.com ergänzt meine online Hebammensprechstunde und meine online Kurse von notdiensthebamme.de