Mini-Würstchenketten im Glas mit knallbuntem Etikett, der coole Piratensnack für zwischendurch, Prinzessinnen-Suppe am Mittag, Ketchup für Kids, Quark-Quetschies und Bärchenwurst auf dem Frühstückstisch, panierter Tiefkühl-Fisch in Dino-Form, „gesunde“ Fruchtzwerge und Tiger-Flakes und und und. In den allermeisten Familien finden sogenannten Kinderlebensmittel ihren Weg in die Kühl- und Vorratsschränke. Kinderlebensmittel haben lustige Formen und sehen dadurch spannend aus. Aber brauchen die Kleinen solche Produkte?
Gerade wenn Kleinkinder regelmäßig an den Familienmahlzeiten teilnehmen, sind viele Eltern versucht, den Kleinen auch spezielle Lebensmittel aufzutischen. Werbeversprechen bei Kindernahrungsmittel wie „die Extraportion Milch“ oder „mit wertvollen Vitaminen“ richten sich an Mütter und Väter, denn letztlich entscheiden ja sie, was eingekauft wird. Trotzdem reden hier Kinder, die im Supermarkt vom Sitz des Einkaufwagens aus die Wahl miterleben, auch ein Wörtchen mit. Denn ihre kleinen Äuglein werden zu auffallenden „kindgerechten“ Verpackungen gelockt, auf denen sich allerlei lustige Tiere, Mickymäuse, Kraftmeier, süße Feen und Fantasy-Figuren tummeln. In diese Richtung streckt sich dann schnell ein kleiner, aber energischer Zeigefinger, der unmissverständlich bedeutet: Das da will ich haben! Sonst gibt`s Theater!
Natürlich möchten Eltern ihren Nachwuchs möglichst gesund ernähren, und was erstmal gesund klingt, scheint ja auch gut zu sein – oder?!
Um es gleich vorwegzunehmen: Für eine gesunde und ausgewogene Ernährung deines Kindes benötigst du keine speziellen Kinderlebensmittel. Auch Nahrungsmittel, die beispielsweise mit Vitaminen oder Mineralstoffen angereichert sind, ersetzen keine gesunden Mahlzeiten. Ich habe dir hier aktuelle Empfehlungen zusammengestellt, was kleinen Esser*innen guttut.
Was sind überhaupt „Kinderlebensmittel“?
Hierbei ist zu unterscheiden: Produkte für Kleinkinder zwischen 1 und 3 Jahren tragen oft den Aufdruck „ab 12 Monaten“. Für diese Lebensmittel (sowie für Säuglingsnahrung) gelten nach der Diät-Verordnung besonders strenge Schutzbestimmungen. Das betrifft die Richtlinien etwa für Farb- und bestimmte andere Inhaltsstoffe, Schadstoffe oder Rückstände von Pestiziden und ähnlichem.
Um diese Produkte soll es hier jedoch nicht gehen. Ich möchte mit euch vielmehr einen Blick auf die Kinderprodukte ohne Altersempfehlung werfen. Dafür gilt nämlich „nur“ das allgemeine Lebensmittelrecht, also keine besonderen (Schutz)Vorschriften. Es gibt auch keine verbindliche Definition, was ein sogenanntes „Kinderlebensmittel“ ist. Ihr könnt sie jedoch relativ leicht erkennen, wenn mindestens eines der folgenden typischen Merkmale vorliegt:
Auffällige Verpackung: Farbenfroh, fröhlich, oft auch in Tierform ist die Portionsgröße an kleine Kinderhände und -bäuche angepasst. Auch die Illustrationen auf der Verpackung (Tiere, lustige Figuren etc) verweisen darauf, dass diese Produkte für Kinder erschaffen wurden.
Ein spezieller Produktname: Häufig findest du auf der Verpackung den Zusatz „Kinder“ oder „Kids“sowie weitere Bezeichnungen. Auch sie sollen dir klarmachen, für wen dieses Lebensmittel gedacht ist.
„Gesunde“ Versprechen: Hier ist das Marketing von Kinderlebensmitteln sehr kreativ. Gelockt wird beispielsweise mit einer „gesunden Zwischenmahlzeit“, der „Extraportion“ Milch oder „wertvollen“ Vitaminen und Mineralstoffen, guter Unterstützung für den „Aufbau gesunder Knochen“ usw. Teilweise finden sich diese Versprechen auch als Aufdruck auf den Verpackungen.
Beigaben: Sticker, Sammelbildchen oder Spielfiguren in der Packung sollen Kundenbindung erzeugen.
Direkte Ansprache an Kinder: Die Werbeauftritte in Fernsehen und Internet richten sich direkt an Kinder.
Deshalb solltest du lieber auf Kindernahrungsmittel verzichten
Die schmackhaften Verführer enthalten oft (zu) viel Zucker, Salz, und/oder Fett. Ein Blick auf die Nährwertangaben auf der Packung gibt darüber Aufschluss. Denn trotz der aufgedruckten Beteuerung „ohne Zuckerzusatz“ kann das Produkt zugesetzten Fruchtzucker enthalten. Also doch gezuckert!
Beispielsweise vergab der gemeinnützige Verein foodwatch, der sich mit Verbraucherrechten und Lebensmittelqualität befasst, den Negativpreis Golder Windbeutel im Jahr 2019 an die Firma Zwergenwiese für ihr Produkt „Kinder-Tomatensauce Bio“. Beworben wurde diese als „mild-tomatig mit Apfelsüße“. Die meisten Kinder lieben Nudeln mit roter Sauce – und wenn die dann noch „bio“ ist, klingt das doch eigentlich nicht schlecht?! Tatsächlich enthielt diese Sauce jedoch 11 Gramm Zucker auf 100 Gramm, was pro Portion etwa sechs Zuckerwürfeln entspricht. Zum Vergleich: Die Nudelsoße dieser Firma für Erwachsene enthält durchschnittlich lediglich 4,6 Gramm Zucker. Das Unternehmen hielt dagegen, dass ja kein Kristallzucker zugesetzt wurde, sondern lediglich Apfeldicksaft. Der besteht jedoch zu 60 bis 80% aus Zucker. Und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert als zugesetzten Zucker auch jenen aus Fruchtsaftkonzentraten. Mittlerweile hat Zwergenwiese den Zuckeranteil ihrer Kinder-Tomatensauce offenbar immerhin auf 7,5 Gramm pro 100 Gramm reduziert.
Außerdem sind viele Kinderlebensmittel auch hochverarbeitet. Das heißt: Die verwendeten Rohprodukte werden (mehrfach) zum Verzehr weiterverarbeitet wie etwa Tütensuppe. Dagegen lautet die allgemeine Empfehlung selbst für Erwachsene, möglichst nur unverarbeitete Lebensmittel zu essen. Übrigens: Auch in den beliebten Quetschie-Beutelchen mit Fruchtmus steckt sehr viel industrielle Arbeit – und Zucker! Alle Eltern wissen, dass viel Gemüse und Obst wichtig sind für eine gesunde Entwicklung von Kindern. Doch teuer püriert und im Beutel zum Auslutschen verarbeitet, ist das keine Alternative zu echtem Obst und Gemüse. Zudem schluckt sich das nicht einfach runter, sondern will auch gekaut werden. Das stärkt die Kaumuskulatur, was letztlich auch die Sprachentwicklung fördert. Denn mit trainierten Kaumuskeln lassen sich Worte viel besser aussprechen.
Auch die Herstellerwerbung „ohne Zuckerzusatz“ ändert nichts daran, dass Quetschies Fruchtzucker enthalten. Der attackiert die Milchzähne, wenn diese beim Nuckeln bzw. Saugen am Beutelchen ständig mit Fruchtpüree u. ä. umspült werden. Das kann Karies verursachen. – Und von den Müll- und Plastikmengen, die die unzähligen Quetsch-Beutel hinterlassen, mal ganz zu schweigen. Trotzdem wandert sicher doch mal ein Beutelchen in euren Einkaufswagen. Das solltet ihr dann als ausnahmsweise erlaubtes Naschwerk werten – aber keinesfalls als Vitaminquelle.
Mit diesen Beispielen möchte ich euch verdeutlichen, wie wichtig es ist, die Augen bei den Nährwertangaben auf der Packung offen zu halten und vollmundige Werbeversprechen kritisch zu hinterfragen. Meine Empfehlung: Bereitet das Essen für eure Kinder lieber so oft wie möglich selbst zu. Beispielsweise lässt sich eine Tomatensauce schnell und einfach selber kochen. Frisches Obst schmeckt dem Kind auch püriert oder in Stückchen gut in Naturjoghurt oder Quark. Und wenn es denn sein muss, lässt sich aus Käse- oder Wurstscheiben mit Plätzchenausstechformen leicht selbst ein optisch attraktiver Brotbelag zaubern. Traut euch, zu experimentieren! Dafür sind Kochbücher und das Internet voller Ideen und Rezepte.
Wie wirkt die Werbung für Kinderlebensmittel?
Kinder sind besonders empfänglich für Werbebotschaften und lassen sich davon stark beeinflussen. Das macht sich die Werbeindustrie zunutze und spricht gezielt Kinder in Fernsehen und Internet direkt an. Dabei geht es in der entsprechenden „Werbung für Kinder“ zu rund 90% um Süßigkeiten, Snacks oder Fastfood. Und das, obwohl seit Juni 2021 Hersteller, Handel, Werbemacher und Medien für Werbung eine freiwillige Selbstverpflichtung bei der Werbung, die sich direkt an Kinder unter 12 Jahren richtet (der sogenannte „EU-Pledge“), eingegangen sind. Danach darf weder der Anschein erweckt werden, dieses Lebensmittel sei unverzichtbar für einen gesunden Lebensstil, noch darf ein ungesunder bewegungsarmer Lifestyle gezeigt werden.
Getreu dem Motto „gut gemeint ist noch lange nicht gut“, hat sich mittlerweile jedoch gezeigt, dass diese freiwilligen Maßnahmen kaum Wirkung entfalten. Somit ist jetzt die Politik aufgefordert zu handeln, um verbindliche Vorgaben und Regeln zu erarbeiten. Auch wenn Bundesernährungsminister Cem Özdemir ein entsprechendes Werbeverbot für stark zucker-, salz- und fetthaltige Lebensmittel auf den Weg bringen will, seid ihr Eltern besonders gefragt. Denn ihr habt es direkt in der Hand, was in eurem Einkaufswagen und auf dem Teller am Familientisch landet.
Hier hat die Verbraucherzentrale zu Kinderlebensmitteln noch einmal das Wichtigste in Kürze zusammengefasst:
- Kinder sollten möglichst wenig mit Werbung für spezielle Kinderprodukte in Kontakt kommen.
- Zum Frühstück sollten Brot oder Haferflocken und Milchprodukte gehören, nicht aber süße Cerealien.
- Joghurts und andere Milchprodukte speziell für Kinder enthalten meist zu viel Zucker. Eine Alternative ist zum Beispiel Naturjoghurt mit frischen Früchten.
- Spezielle Wurst oder Fleisch und Fisch für Kinder bieten keine Vorteile.
- Tiefgekühltes wie etwa Gemüse oder Fisch kann sinnvoll sein. Tütensuppe oder Fix-Mischung, extra für Kinder, hingegen nicht.
- Süßes bleibt Süßes und ist zum Genießen da. Vitamine sollten in der ausgewogenen Ernährung stecken und nicht in Naschereien.
- Der beste Durstlöscher für Kinder ist Wasser, ab und zu auch mal mit Saft als Schorle gemischt. Spezielle Kindergetränke mit Zucker oder Getränke mit Süßstoffen sind überflüssig.
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Katharina Jeschke
Gründerin von elternundbaby.com und Hebamme
Als Geburtshausleiterin, Hebamme und Mutter unterstütze ich Frauen dabei ihre Herausforderung während, vor und nach der Schwangerschaft besser zu bewältigen.
Um noch mehr Frauen zu erreichen, startete ich elternundbaby.com. Ich freue mich darauf, dich hier begrüßen zu dürfen.