Vor einiger Zeit ist mir eine wunderbare Lebensweisheit über den Weg gelaufen: „Man verliert niemals seine Stärke – man vergisst manchmal nur, dass man sie hat.“ Dabei musste ich als Hebamme gleich an die vielen Gebärenden denken, die ich bei Geburten schon begleitet habe. Sie alle haben den Geburtsschmerz kennengelernt und konnten vertrauen, ihn auf ihrer ureigenen Kraft zu bewältigen. Wir Hebammen unterstützen die Frauen während der Geburt in jeder Weise dabei, den Kontakt zu ihrer Stärke nicht abreißen zu lassen. Deshalb bringt es die erwähnte Lebensweisheit für mich genau auf den Punkt: Vertraue deiner Kraft!

Als Hebamme werde ich von Schwangeren oft auf die anstehende Geburt und den damit verbundenen Schmerz angesprochen – vor allem je näher der errechnete Termin rückt. Auch in meiner Online-Hebammenberatung  und meinen Online-Kursen zur Geburtsvorbereitung höre ich regelmäßig Fragen zum Geburtsschmerz. Deshalb möchte ich hier das Thema einmal grundsätzlich aufgreifen – und dir Mut machen!

Aber zuerst sage ich dir offen und ehrlich: Ja, die Geburtsarbeit tut weh. Gerade Erstgebärende haben oft großen Respekt vor dem, was sie im Kreißsaal erwartet. Und auch so manche Zweit- oder Drittgebärende erinnert eine vorangegangene Entbindung zuweilen als sehr schmerzhaft und blickt deshalb nun unsicher oder gar sorgenvoll auf die bevorstehende nächste Geburt. Erschwerend kommt nach meiner Erfahrung hinzu: Manche Mütter aus dem Freundes- oder Familienkreis neigen dazu, die von ihnen erlebte Geburt gegenüber Schwangeren in sehr heftigen Farben zu schildern. Auch das Internet wimmelt von derart „anschaulichen“ Geburtsgeschichten, die dort „geteilt“ werden. Solche Erzählungen können werdende Mütter jedoch schnell (zusätzlich) verunsichern. Von solchen Berichten solltest du dich in keinem Fall beeindrucken lassen. Denn keine Geburt ist gleich. Und jede Frau nimmt ihre Geburt anders wahr. Es ist deshalb unmöglich, dass du dich an solchen Erfahrungswerten orientierst.

Was sind Wehen?

Jeder Mensch hat auf die eine oder andere Art mit Schmerzen schon Bekanntschaft gemacht. Verletzungen, blaue Flecken, ein entzündeter Zahn, Verspannungen – das alles tut empfindlich weh. Diese „normalen“ Schmerzen signalisieren uns, dass etwas mit unserem Körper nicht in Ordnung ist. Sie sind also ein Alarmzeichen.

Ganz anders der Wehenschmerz: Er ist kein Alarmzeichen! Ganz im Gegenteil ist mit deinem Körper alles in bester Ordnung, wenn du Wehen kurz vor und während der Geburt verspürst. Diese natürliche, gesunde – und wichtige! – körperliche Reaktion zeigt einen Veränderungsprozess an: Sie signalisiert, dass dein Kind jetzt geboren werden möchte. Ein neuer Mensch tritt in dein Leben, das sich damit für immer verändert.

„Wehen“ entstehen dadurch, dass sich die Gebärmuttermuskulatur rhythmisch zusammenzieht und wieder entspannt. Darauf hat die Frau keinerlei Einfluss, es geschieht einfach „ganz von allein“. Dabei werden verschiedene Wehenarten in ihrer Funktion und Wirkung unterschieden:

Übungswehen bereiten deinen Körper auf die Geburt vor.

Senkwehen lassen dein Kind vor der Geburt tiefer in dein Becken rutschen.

Geburtswehen helfen deinem Baby, den Geburtskanal zu passieren und wohlbehalten geboren zu werden. Und sie helfen dir und deinem Körper, diesen Vorgang zu unterstützen sowie dabei selbst wohlbehalten zu bleiben. Geburtswehen sind die schmerzhafteste Wehenart und werden in Eröffnungswehen und Austrittsswehen unterteilt.

Nachgeburtswehen lösen die Plazenta und treiben sie aus.

Der Vollständigkeit halber will ich hier auch die Nachwehen oder sogenannten Stillwehen erwähnen. Sie treten ein bis drei Tage nach der Geburt auf und fördern die Rückbildung deiner Gebärmutter.

Wenn du noch mehr über die verschiedenen Wehenarten, ihre Aufgaben und Wirkungen lesen möchtest, kannst du dich dazu auf meinem Blog hier informieren. Ganz ausführlich erkläre ich dir die Wehenarten auch in meinem Online-Geburtsvorbereitungskurs.

Ängste produzieren Verspannungen

Ein guter Informationsstand hilft Frauen schon mal sehr, der Geburt zuversichtlich entgegen zu sehen. Einige Schwangere quälen sich aber trotzdem vorher mit zahllosen Fragen: Werde ich die Schmerzen wirklich aushalten? Wird diese Geburt genauso heftig werden wie die letzte? Wird mein Kind gesund sein? Und wie werde ich das Leben mit ihm überhaupt meistern? Wird das Geld reichen? Werde ich eine gute Mutter sein können? Lauter Fragen, die sich im Kopf im Kreise drehen und durchaus innere Angst verbreiten können.

Wie in vielen Situationen ist Angst jedoch auch bei der Geburt ein schlechter Begleiter – schon weil sie bei der Gebärenden von vornherein für Verspannungen sorgt. Verspannungen können den Geburtsverlauf wiederum verlangsamen. Das ist leicht vorstellbar: Je verspannter eine Gebärende ist, umso schwerer hat es ihr Baby auf seinem Weg in die Welt. Dann wird sich die Gebärmutter doppelt anstrengen und mit verstärkten Wehen auf die Situation reagieren. Das verursacht weitere Schmerzen, die wiederum die Verspannung verstärken… So entsteht eine Spirale aus Angst und Anspannung.

So kannst du Verspannungen vorbeugen

Du kannst schon vor der Geburt etwas tun, um diese Spirale zu verhindern: Wenn du Sorgen und Ängste hast – sprich mit Menschen darüber, denen du vertraust! Das wird dich entlasten und entspannen. Deine betreuende Hebamme ist jederzeit eine verlässliche Ansprechpartnerin, an die du dich wenden kannst. Und selbstverständlich stehe auch ich dir in meiner Online-Hebammenberatung dafür zur Verfügung. Es gehört nämlich auch zu unseren Aufgaben als Hebammen, „unseren“ Schwangeren dabei zu helfen, vorhandene Sorgen und Ängste abzubauen. Du kannst dich zu diesem Zweck auch an eine Beratungsstelle wenden. Dort können möglicherweise sogar tiefer sitzende Ängste identifiziert und so bearbeitet werden, dass sie den Geburtsverlauf nicht negativ beeinflussen werden.

Außerdem rate ich jeder Schwangeren zu einem Geburtsvorbereitungskurs. Hier erlernst du auch Entspannungstechniken, die dir helfen werden, mit den Wehen klar zu kommen. Meine Erfahrung als Geburtshelferin: Wenn es eher ängstlichen Gebärenden gelingt, möglichst entspannt mit den Wehen umzugehen, empfinden sie die tatsächlichen Schmerzen oft als viel weniger arg, als sie sich vorgestellt haben.

Erwartungen an den Schmerz

„Die Geburt war gar nicht so schlimm, wie ich dachte.“ Dieser Satz aus dem Mund frisch gebackener Mütter ist keine Seltenheit. Er sagt etwas über die Erwartung aus, die Frauen während der Schwangerschaft an den Geburtsschmerz und seine Intensität hatten. Solche Erwartungen spielen vor und während der Geburt ebenfalls eine Rolle. Ich habe schon Gebärende erlebt, die während der gesamten Geburt auf jene heftigsten Schmerzen warteten, die sie sich vorher ausgemalt hatten – aber bis zum ersten Schrei ihres Babys nicht kamen. Daraus lässt sich schlussfolgern: Die Erwartung von (starken) Geburtsschmerzen erzeugt diese nicht in jedem zwingend. Allerdings gibt es auch den umgekehrten Fall: Eine Schwangere ist fest davon überzeugt, dass sie die Wehen locker wegsteckt  – und wird dann von ihrer Intensität völlig überrumpelt.

Hier spielt auch die subjektive Schmerzwahrnehmung ein Rolle. Manche Menschen haben eine hohe Schmerztoleranz und empfinden etwas als „noch gut aushaltbar“. Andere fühlen sich dagegen schnell vom Schmerz überwältigt und an den Rand des Erträglichen gebracht. In dieser Weise bringt auch jede einzelne Frau ihr persönliches Schmerzerleben zur Geburt mit. Und das ist absolut okay. Hier wäre jede Bewertung beispielsweise in „mehr“ oder „weniger“ tapfer völlig fehl am Platz. Jede Gebärende hat das Recht auf ihr Empfinden, das Recht, so zu sein, wie sie ist – und das Recht auf die jeweils passende individuelle Unterstützung! 

Hier kommen wir Hebammen im Kreißsaal ins Spiel: Es ist unsere Aufgabe, jede Gebärende so zu unterstützen sowie ihr Sicherheit zu geben, dass sie selbst zur Expertin in eigener Sache wird. Das schaffen wir Hebammen aber nur dann, wenn die werdenden Mamas gut vorbereitet in den Kreißsaal kommen. Wenn sie schon selbstbewusst und selbstbestimmt die Latenzphase meistern konnten. Damit dir das auch gelingt, solltest du den Geburtsvorbereitungskurs möglichst gemeinsam mit deinem Partner, deiner Partnerin machen, den du zur Geburt mitnimmst. Optimalerweise kannst du dann selbst bestimmen, was dir gerade guttun würde – z. B. Bewegung, eine Massage von ihrer Geburtsbegleitung, Zuspruch oder einfach nur „Lasst mich möglichst in Ruhe!“. Auch in welcher Position du dein Kind auf die Welt bringen möchtest, kannst du am besten entscheiden.  Wenn dir das gelingt, dann wirst du zu einer aktiven Gebärenden und zu einer Managerin deiner Schmerzen werden.

Dann wirst du sehen: Eine Geburt ist Arbeit – aber sie tut gar nicht so sehr weh.

Eine schützende Umgebung, in der du dich wohl fühlen kannst, unterstützt diesen Geburtsverlauf. Deshalb ist die Wahl des Geburtsortes wichtig. Nicht (nur) die Entfernung ist ein Argument für den Geburtsort, sondern ob du dich dort beschützt und gut aufgehoben fühlen kannst.

Schmerzlinderung

Zunächst solltest du unbedingt wissen: Keine Frau ist den Geburtsschmerzen hilflos ausgeliefert. Ein ganz wichtiger Helfer ist dabei dein eigener Körper. Er verfügt über hormonelle Mechanismen zur Selbstregulation und schüttet während der Geburt sehr verlässlich körpereigene Schmerzstiller (z.B. Endorphine) aus.

Darüber hinaus ist es für viele Gebärende beruhigend zu wissen: Wenn ich das wünsche, kann ich zusätzlich auf externe schmerzlindernde Mittel und Methoden zurückgreifen. Diese Sicherheit nimmt vielen Frauen schon den Großteil ihrer Angst vor dem Geburtsschmerz.

Zu den alternativen Schmerztherapien gehören zum Beispiel Massagen, Bewegung, Atem- und Entspannungsübungen, Positionswechsel, ein warmes Bad, Akkupunktur, Akupressur, Aromatherapie oder die Gabe homöopathischer Mittel. Viele Frauen kommen im Kreißsaal mit diesen sanften Methoden zur Schmerzlinderung gut zurecht.

Zum schulmedizinischen Angebot zur Schmerzlinderung gehören in Kliniken z. B. krampflösende Mittel (Spasmolytiker), schmerzlindernde Medikamente sowie die mittlerweile weit verbreitete Periduralanästhesie (PDA). 

Ich empfehle „meinen“ Schwangeren immer, sich bereits vor der Geburt über die Vor- und Nachteile der verschiedenen schmerzlindernden Methoden und Mittel zu informieren. Dann kennen sie die Möglichkeiten und können sich auch in der Situation im Kreißsaal besser für oder gegen eine Maßnahme entscheiden.

Was jedoch wenig hilfreich ist: Wenn du bereits vor der Geburt unabänderlich entscheidest, was du unbedingt möchtest oder auf jeden Fall ablehnen willst. Mein Rat: Informiere dich vorher gut – aber halte dich trotzdem offen für den Geburtsverlauf und das, was mit ihm auf dich zukommt. Wenn du einen Geburtsplan erstellt hast, wird das für dich sehr hilfreich sein. Es ist jedoch auch in Ordnung, darin festgelegte Wegweiser über Bord zu werfen, wenn die Geburt anders als erwartet verläuft.

An dieser Stelle möchte ich zugleich klarstellen: Keine Gebärende hat „versagt“, weil sie ihr Kind etwa mit einer PDA bekommen hat oder Schmerzmittel benötigte. Deswegen ist diese Geburt doch nicht „weniger wert“! Ich lerne immer wieder Mütter kennen, die ihr Baby unbedingt „natürlich“ ohne jede Mittel oder geburtshilfliche Eingriffe zur Welt bringen möchten und sich darauf bestens vorbereitet haben. Und hinterher sind sie dann enttäuscht oder empfinden gar Schuldgefühle, wenn sie doch schmerzlindernde Medikamente, eine PDA oder gar einen notwendig gewordenen Kaiserschnitt erhalten haben.

Vergiss nie: Dein Körper erbringt in jedem Fall die gleiche großartige Leistung – ob mit oder ohne Schmerzmittel. Und letztlich hängt der Geburtsverlauf ja auch nicht allein von dir ab. Es kommt auch darauf an, wie es deinem Kind dabei geht und wie das geburtshilfliche Team die Situation beurteilt.

Sollte sich nach der Geburt ein Versagens-Gefühl in dir festgesetzt haben, so empfehle ich dir, das mit deiner Hebamme zu besprechen. Scheue dich auch nicht, therapeutische Unterstützung in Anspruch zu nehmen, falls dich das Gefühl trotzdem weiter quält. Denn deiner (neue) Mutterrolle und der gelingenden Beziehung zu deinem Kind sollten keine belastenden Geburtserfahrung im Wege stehen. 

Manche Frauen befürchten auch, dass ihre Bindung zum Kind erschwert oder beeinträchtigt wird, wenn sie mit medikamentösen Schmerzmitteln entbinden. Auch da kann ich euch beruhigen: Das ist nicht der Fall! 

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Katharina Jeschke

Katharina Jeschke

Gründerin von elternundbaby.com und Hebamme, zertifizierte Erste Hilfe Trainerin, zertifizierte Schlafcaochin für Babys und Kinder

Als Hebamme, Schlafcoachin für Babys und Kinder, sowie als Erste Hilfe Trainerin  unterstütze ich Frauen und Eltern dabei Schwangerschaft, Geburt und die Zeit als Eltern gut und entspannt zu gestalten. Ich bin selbst Mama von zwei bezaubernden Kindern.

Kinder sollen sicher und geborgen wachsen können. Dafür brauchen sie starke Eltern, die mit Wissen und Intuition die Entwicklung ihrer Kinder begleiten. Meine Hebammenhilfe soll Eltern das Wissen und Vertrauen geben, das sie ihren individuellen Weg finden und gehen können.

Dieser Blog elternundbaby.com ergänzt meine online Hebammensprechstunde und meine online Kurse von notdiensthebamme.de