Mittendrin statt nur nebenan

Zum Glück sind die Zeiten vorbei, in denen Väter bei der Geburt nichts zu suchen hatten. Heute ist es für Gebärende wie für Hebammen und andere professionelle Geburtshelfer*innen selbstverständlich, dass Väter dazugehören. Über 90 Prozent der Schwangeren haben ihre Lebenspartner bei der Geburt zur Seite – und das ist in den allermeisten Fällen der Vater. Gut möglich, dass auch du den Vater deines Kindes bei dir haben möchtest, wenn euer Baby auf die Welt kommt.

Dieser Wunsch wird Gebärenden in deutschen Entbindungskliniken erst seit den 1970er Jahren erfüllt.

Als Hebamme bereite ich Schwangere und Paare schon seit sehr vielen Jahren in meinen Geburtsvorbereitungskursen auf den großen Tag vor. Aus meiner Erfahrung ist diese Vorbereitung das A und O – nicht nur für dich als werden Mutter, sondern auch für deinen Partner bzw. Vater deines Kindes. Das gilt natürlich auch für jeden anderen vertrauten Menschen, der deine persönliche Geburtsbegleitung sein soll. Sie alle können ihre Aufgabe umso besser erfüllen und dir bei der Geburtsarbeit Halt, Sicherheit und Unterstützung geben, wenn sie sich darauf angemessen einstellen. Das beginnt schon mit dem Wissen, wo ihr Platz während des Geburtsgeschehens ist  – nämlich an deiner Seite. Das bedeutet auch in Nähe zu deinem Kopf. Denn der Ort der unmittelbaren Geburtsvorgänge ist der Hebamme und dem geburtshilflichen Team vorbehalten.

Wenn dich der Vater eures Kindes zur Geburt begleiten soll, gehört es aus meiner Erfahrung auch zur Vorbereitung dazu, dass ihr beide euch rechtzeitig vorher über eure Vorstellungen, gegenseitigen Erwartungen, aber auch möglichen Ängste austauscht. Traut euch, offen miteinander darüber zu reden!

Väter sind oft (zunächst) unsicher, ob sie überhaupt die richtige Begleitung für die Geburt sind. Einige hegen auch Zweifel, ob sie es ertragen können, ihre Frau unter so großer Kraft- und Schmerzanstrengung zu erleben und vermeintlich nichts dagegen tun zu können. Die Befürchtung, sich dann hilflos und überflüssig zu fühlen, ist weit verbreitet. Ebenso häufig ist bei Vätern hinterher dann aber auch überströmendes Glück zu spüren, dass sie dieses einzigartige Geburtsereignis miterleben konnten. Sie bezeichnen es meist als „unbeschreiblich“, ihr Baby das erste Mal zu sehen und im Arm halten zu können. Und sind auch unbändig stolz auf ihre Partnerin.

Liebe Väter – Das wird von euch erwartet!

Wir Hebammen wissen, dass ihr euch um eure Frauen Sorgen macht und möglicherweise auch darum, ob euer Baby wohlbehalten auf die Welt kommt. Und wir können auch verstehen, wenn ihr den Wehenschmerz eurer Partnerin unbedingt lindern möchtet. Aber genau deshalb appelliere ich an euch:

• Habt Vertrauen zu euren Frauen, sie werden die Geburt meistern. Und ihr werdet hinterher darüber staunen, wieviel Kraft in euren Frauen tatsächlich steckt!

• Habt bitte auch Vertrauen in uns Hebammen und weitere Geburtshelfer*innen! Wir haben so viel Erfahrung mit sehr unterschiedlichen Geburtsverläufen sowie den verschiedenen Persönlichkeiten der Gebärenden und können gut beurteilen, was jeweils zu tun (oder zu lassen) ist und was hilft. Fragt uns wenn ihr Fragen oder Zweifel habt und lasst auch ihr euch von uns helfen. Dann werden wir zusammen ein gutes Team sein.

• Und habt auch Vertrauen zu euch selbst! Ihr werdet überrascht sein, wie sehr ihr eure Frauen unterstützen könnt und wie wichtig ihr für sie seid. Vom „hilflosen“ oder „überflüssigen“ Vater kann keine Rede sein! Seid mutig und kreativ in eurer Unterstützung – und seid bitte auch nicht eingeschnappt, wenn die Gebärende euer Angebot ablehnt und sich etwas ganz anderes von euch wünscht. Zum Beispiel schweigen statt reden. Bereitet euch auf diesen besonderen Tag vor. Ein Geburtsvorbereitungskurs ist für euch ebenso wichtig wie für die Gebärende. Schließlich soll jedes Geburtsteammitglied kompetent mitdenken, mitreden und mithelfen können! Der Online-Geburtsvorbereitungskurs von notdiensthebamme.de ist beispielsweise perfekt für Paare und Partner geeignet. Weil du kannst dich in Ruhe den Themen widmen, die dich gerade interessieren und für die du gerade Zeit und Muße hast.

Was Väter bei der Geburt nicht tun sollten

Ich möchte Vätern an dieser Stelle aber auch offen sagen, was dem natürlichen Geburtsablauf schadet: nämlich wenn sie als Geburtsbegleiter z.B. in hektischen Aktionismus verfallen! Es hilft nicht, wenn der Vater nach Schmerzmitteln für die Liebste verlangt oder vehement von uns fordert, „jetzt aber schnellstens was zu unternehmen“. Im Gegenteil: Der Gebärenden und dem Kind tut es gerade nicht gut, wenn sich im Wehenzimmer oder Kreißsaal Druck und Unruhe verbreiten und damit das Geburtsgeschehen beeinträchtigen. Auch Streit ist völlig kontraproduktiv, egal mit wem. Natürlich können und sollen Väter dem professionelle Geburtshelferteam die Wünsche der Gebärenden übermitteln, wenn sie es uns gerade nicht selber sagen kann. Und wir werden ihre Wünsche auch berücksichtigen, wenn die Situation es zulässt. Seid versichert, liebe Väter: Wir geben unser Bestes – und eure Frauen sowieso –, damit euer Baby gesund und munter das Licht der Welt erblickt und auch ihr es bald in eure Arme schließen könnt. Deshalb solltet auch ihr während der Geburt euer Bestes geben!

Was können Väter im Kreißsaal tun?

Auch wenn es sich für euch vielleicht nicht so anfühlt: Ihr tut für eure Frauen in den Wehen am meisten, wenn ihr sie ermutigt, lobt, beruhigt, ihre Hand haltet, sie massieren, sie bei den Geburtspositionen unterstützt oder auch mit ihr atmet. Seid einfach für sie da! Die meisten Gebärenden signalisieren sehr genau, was sie gerade brauchen bzw. ihnen guttut. Dabei erleben Väter immer wieder, wie kraftvoll Frauen sind. Viele lernen ihre Partnerinnen von einer bis dahin ganz unbekannten Seite kennen, sind fasziniert und bewundern sie. Das gemeinsame Geburtserlebnis schweißt ein Paar oft noch stärker zusammen.

Aber Hebammen erleben bei der Geburt zuweilen auch Väter, die die Botschaft „Seid einfach da“ ganz anders interpretieren: Einige hocken nur daneben und „dokumentieren“ das Geburtsgeschehen minütlich mit dem Smartphone, um es vielleicht sogar gleich in den sozialen Netzwerken zu posten. Das wäre wirklich falsch verstandenes Begleitverhalten! „Live-Berichte aus dem Kreißsaal über Social Media“ stören den Zauber dieser Stunden und stören den schmerzarmen Geburtsverlauf von Mutter und Kind.

Ein Kind auf die Welt zu bringen, ist etwas ganz Natürliches, aber für euch beide ein elementares Erlebnis. Wie schön, wenn ihr das miteinander teilen könnt und es euch noch stärker verbindet. Dafür gibt es zwar keinen „Probelauf“ – aber wie gesagt: Ein gemeinsam erstellter Geburtsplan ist immer hilfreich, auch um sich flexibel darauf einstellen zu können, dass es während der Geburt manchmal anders kommt als erwartet. Auch aus meinen Onlinekursen weiß ich, dass Väter viele Fragen zur Geburt bewegen: Wie lange dauert sie eigentlich? Ich kann kein Blut sehen – werde ich im Kreißsaal damit konfrontiert sein? Kann ich zwischendurch auch mal rausgehen? Solche und andere Unsicherheiten sind völlig normal. Gerne beantworte ich alle eure Fragen auch in meiner Onlineberatung.   

Hat es das Baby geschafft und das erste Mal Haut an Haut die Mutter gespürt, darf meist der Vater die Nabelschnur durchtrennen. Mindestens die ersten zwei Stunden nach der Geburt gehören dann möglichst ungestört der Familie. Hierbei werden die ersten zarten, wichtigen Bande zwischen Eltern und Baby auf dieser Welt geknüpft. In der Fachsprache nennt man das Bonding. Wie wundervoll, wenn der Vater von Anfang an dabei ist. Aber keine Sorge: Sollte ihm das aus welchen Gründen auch immer nicht möglich sein, können der Beginn seiner Beziehung zum Kind und die so wichtige erste Bindung auch später nachgeholt werden.